11.06.2013 20:16:31

Verfassungsrichter nehmen EZB-Hilfen kritisch unter die Lupe

   Von Hans Bentzien

   Die Bundesverfassungsrichter haben die Krisenhilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) kritisch unter die Lupe genommen. Allerdings hat der erste Tag der mündlichen Verhandlung zu den Euro-Rettungsmaßnahmen - vor allem die Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank - noch keine Klarheit darüber gebracht, wie die Verfassungsrichter zu den Outright Monetary Transactions (OMT) stehen. Ihre Nachfragen an die geladenen Sachverständigen und Beschwerdeführer zeigten: Das OMT-Programm hat auch in Karlsruhe Freunde und Gegner, wobei es im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden durchaus kritische Nachfragen gab.

   Eine überraschend prominente Rolle spielte dabei die Frage, ob das OMT juristisch überhaupt schon existiert. Das Zusammentreffen der Bundesbank- und EZB-Gutachter Jens Weidmann und Jörg Asmussen verlief freundlich in der Form, aber fest im Grundsätzlichen.

   Ob eine Beschwerde gegen das OMT, also notfalls unbegrenzte Staatsanleihekäufe der EZB, zulässig ist, hängt offenbar auch davon ab, welche rechtliche Form das OMT hat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte gleich zu Beginn seines Statements gesagt: "Was das OMT angeht, handelt es sich um eine Ankündigung, die erst durch einen Rechtsakt in Kraft gesetzt werden müsste." Bisher liege aber noch kein entsprechender Beschluss vor.

   Auf Seiten der Beschwerdeführer herrscht dagegen die Ansicht vor, dass schon die OMT-Ankündigung durch EZB-Präsident Mario Draghi eine Kompetenzüberschreitung darstellte, gegen die man sich schützen müsse.

   Hans-Peter Schneider, Bevollmächtigter für eine Beschwerde gegen den Euro-Rettungsfonds ESM, sagte: "Die EZB könnte auch einfach so Staatsanleihen kaufen, dazu braucht es keinen Rechtsakt mehr". Der Rechtsakt könnte vielleicht ein paar technische Einzelheiten enthalten, "aber das Verbot der Staatsfinanzierung hängt doch nicht davon ab, dass die Konditionalitäten oder Laufzeiten noch etwas genauer gefasst werden".

   EZB-Direktor Jörg Asmussen bestätige allerdings die Sichtweise seines alten Chefs Schäuble: "Wir haben jetzt einen Beschluss des Gouverneursrats über eine Ankündigung gefasst. Wir haben die Rechtsakte, über die der Gouverneursrat noch mal beschließen muss, noch nicht verabschiedet", sagte er. Dazu müsste sich der EZB-Rat noch mal eigenständig ein Lagebild machen.

   Heißt das, dass es derzeit nichts Faktisches gibt, wogegen Beschwerde zu führen wäre? Ein Verfassungsrichter sah da durchaus praktische Probleme: Das Gericht kenne das OMT vor allem aus den EZB-Monatsberichten, aber die Erläuterungen des EZB-Prozessbevollmächtigten hätten bereits eine gewisse Weiterentwicklung gezeigt, gab der Richter zu bedenken und fragte: "Ist es nicht so, dass der Senat auf einer Basis entscheiden müsste, die noch nicht geklärt ist?"

   Der in London lehrenden Europarechtler Gunnar Beck hält das aber für "Unsinn": "Wenn der relevante Rechtsakt noch nicht erlassen ist, dieser dann aber unmittelbar Fakten schaffen wird, so muss das Verfassungsgericht den Entwurf schon jetzt prüfen, sodass es gegebenenfalls eine einstweilige Verfügung erlassen kann", sagte er. Der Prüfung des EZB-Programms und eines "What if"-Urteils stehe also juristisch nichts im Wege.

   Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hatte bereits bei der Eröffnung der zweitägigen Verhandlung deutlich gemacht, dass das Gericht ein extrem kompliziertes Problem klären muss. Der Maßstab bei der Beurteilung der gesamten Rettungsmaßnahmen könne nur das deutsche Grundgesetz sein, sagte er und fuhr fort: "Dieser Umstand wirft im Hinblick auf die Handlungen der Europäischen Zentralbank schwierigste Rechtsfragen auf, da die Europäische Zentralbank als Unionsorgan allein dem Unionsrecht verpflichtet ist."

   Zum lange erwarteten Showdown, der Begegnung der Kontrahenten Asmussen und Weidmann, kam es wegen dieser diffizilen Fragen erst am Nachmittag. Hier ging es um die Frage, ob die EZB mit ihrem OMT im Rahmen ihres Mandats bleibt und - wichtig aus marktpsychologischer Sicht - ob das OMT nun unbegrenzt ist oder nicht.

   Asmussen sagte, die EZB habe signalisiert, dass sie "ex ante" bereit sei, Staatsanleihekäufe "uneingeschränkt" durchzuführen und fügte hinzu: "Wir sind davon überzeugt, dass es dieses starken Signals an die Marktteilnehmer bedarf, um sie von der Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, mit der wir das Ziel der Preisstabilität verfolgen, zu überzeugen."

   Dabei sei aber durch die Ausgestaltung des OMT für jeden offensichtlich, dass das Programm faktisch begrenzt sei, "etwa durch die Beschränkung auf das kurze Laufzeitende und den dadurch beschränkten Pool von Anleihen, die überhaupt erworben werden könnten".

   Nach Weidmanns Aussage dagegen kann die EZB ihr Versprechen notfalls unbegrenzter Staatsanleihekäufe nicht innerhalb ihres Mandats einlösen. "Im Rahmen unseres Mandats sind unbegrenzte Mittel meines Erachtens nicht möglich", sagte Weidmann. Der Bundesbankpräsident hatte im September 2012 als einziges EZB-Ratsmitglied gegen das OMT-Programm gestimmt.

   Gleichwohl ist es laut Weidmann für die Bundesbank keine Option, sich an unliebsamen Maßnahmen des Eurosystems nicht zu beteiligen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir als Bundesbank integraler Bestandteil des Eurosystems sind", sagte er. Eine Nichtausführung von Beschlüssen hätte gravierende Auswirkungen.

   Das Verfassungsgericht setzt seine Beratungen am Mittwoch ab 10.00 Uhr fort. Sowohl Weidmann als auch Asmussen werden den Richtern dann wieder als Sachverständige zur Verfügung stehen.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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