10.03.2016 16:17:45

UPDATE2/EZB fährt Achterbahn mit Finanzmärkten

   --EZB lockert Geldpolitik deutlicher als erwartet

   --EZB senkt Zinsen stärker als erwartet und weitet Ankäufe kräftig aus

   --Draghi signalisiert mögliches Ende des Zinssenkungszyklus

   --Finanzmärkte geben anfängliche Gewinne wegen Draghis Äußerungen ab

   (NEU: Aussagen Draghis aus der Pressekonferenz, Marktreaktionen)

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Finanzmärkte mit ihren geldpolitischen Entscheidungen und der anschließenden Kommunikation ihres Präsidenten Mario Draghi auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Nachdem die EZB mit einer unerwartet deutlichen Lockerung ihrer Geldpolitik zunächst den Euro geschwächt und Anleihe- sowie Aktienkurse getrieben hatte, zogen Äußerungen Draghis zu einem möglichen Ende des Zinssenkungszyklus Verluste nach sich.

   Wie die EZB mitteilte, sinkt ihr Hauptrefinanzierungssatz um 5 Basispunkte auf 0,00 Prozent. Der Spitzenrefinanzierungssatz wird ebenfalls um 5 Basispunkte auf 0,25 Prozent reduziert und der Satz für Einlagen von Geschäftsbanken bei der Zentralbank um 10 Basispunkte auf minus 0,40 Prozent. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten lediglich eine Senkung des Einlagensatzes um 10 Basispunkte erwartet.

   Darüber hinaus kündigte die EZB folgende weitere Maßnahmen zur Lockerung ihrer Geldpolitik an:

   Das monatliche Volumen des Wertpapierkaufprogramms steigt ab April um 20 auf 80 Milliarden Euro. Die Erwartung hatte bei 15 Milliarden Euro gelegen. Ab April können die Zentralbanken des Eurosystems auf Euro lautende Anleihen mit Investment-Grade-Rating in ihre Ankäufe einbeziehen, wenn diese Papiere von Nicht-Banken emittiert wurden, die in der Eurozone ansässig sind.

   Entgegen den Erwartungen wird das Ankaufprogramm nicht über März 2017 hinaus verlängert. Präsident Draghi bekräftigte allerdings die Aussage, dass das Programm ohnehin so lange laufen solle, bis die Inflation nachhaltig in Richtung des Inflationsziels von knapp 2 Prozent gestiegen ist.

   Zudem begibt die EZB ab Juni eine neue Serie von langfristigen, gezielten Refinanzierungsgeschäften (TLTRO II) mit vierjähriger Laufzeit. Der Zinssatz dieser Geschäfte kann so niedrig sein wie der Satz für Bankeinlagen, also negativ.

   Draghi begründete die geldpolitische Lockerung damit, dass die EZB erhöhten Risiken für das Erreichen ihres Preisstabilitätsziel habe begegnen müssen. Tatsächlich zeigen die aktuellen EZB-Stabsprojektionen, dass die EZB nicht darauf hoffen kann, bis 2018 im Jahresdurchschnitt knapp 2 Prozent Inflation zu erreichen.

   Laut den aktuellen Stabsprojektionen muss sie davon ausgehen, dass die Verbraucherpreise 2016 im Jahresdurchschnitt nur um 0,1 Prozent steigen. Im Dezember waren noch 1,0 Prozent Teuerung prognostiziert worden. Die Prognose für 2017 wurde auf 1,3 (zuvor: 1,6) Prozent gesenkt. Für 2018 kann die EZB nur mit 1,6 Prozent Inflation rechnen.

   Mittelfristig ist sie auf die Gewährleistung von Preisstabilität verpflichtet, die sie bei einer Inflationsrate von knapp 2 Prozent gegeben sieht. Dieser Wert wurde zuletzt vor rund drei Jahren erreicht. Im Februar lag die Teuerungsrate bei minus 0,2 Prozent.

   An den Finanzmärkten wurden die Zinsentscheidung und die Ankündigung weiterer Mitteilungen zunächst freundlich aufgenommen. Der Euro fiel um über 1 Cent auf 1,086 Dollar, der Bund-Future lag nach heftigen Ausschlägen nach oben und unten etwas über dem Niveau vor der Zinsentscheidung. Der Dax legte um rund 80 Punkte zu.

   Doch eine Stunde nach Beginn von Draghis turnusmäßiger Pressekonferenz war von diesen Entwicklungen nichts mehr übrig: Der Euro wertete deutlich auf und lag höher als vor Bekanntgabe der Zinsentscheidung, Aktien und Bund-Future gaben alle zuvor erzielten Gewinne ab.

   Der Grund: Draghi signalisierte, dass die EZB ihre Zinsen möglicherweise nicht mehr weiter senken wird. Nach seiner Aussage hat sich die EZB gegen ein System abgestufter negativer Einlagezinsen entschieden, weil das den Eindruck hätte hervorrufen können, dass die EZB ihre Zinsen beliebig zu senken glauben könne.

   "Sie wissen sicher, dass wir diskutiert haben, ein abgestuftes System von Einlagenzinsen einzuführen. Wir haben uns dagegen entscheiden. Wir wollten das Signal vermeiden, dass wir glauben könnten, mit den Zinsen beliebig weit gehen zu können", sagte Draghi.

   Der EZB-Präsident sagte außerdem, aus heutiger Sicht gehe die EZB nicht davon aus, die Zinsen noch einmal senken zu müssen. Er fügte aber hinzu, dass neue Fakten diese Einschätzung ändern könnten. Nach Angaben Draghis will die EZB bei ihrer Geldpolitik umschwenken von der Nutzung des Zinsinstruments zu anderen, unkonventionellen Instrumenten.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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   March 10, 2016 09:46 ET (14:46 GMT)

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