29.06.2016 18:08:46
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UPDATE2/EU verordnet sich Denkpause - Merkel bleibt beim Sparen hart
--Merkel hält an Sparpolitik in Europa fest
--EU-Regierungschefs verordnen sich Reflexionsphase
--Briten müssen für Zugang zum Binnenmarkt Arbeitnehmerfreizügigkeit akzeptieren
--Erste Ministerin Schottlands in Brüssel
(NEU: Mehr Merkel, Details zu Plänen mit Frankreich und Italien, Stimmen Juncker und Tusk, Schottland)
Von Christian Grimm
BERLIN/BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich nach dem Brexit-Schock eine Denkpause verordnet. Große Umbauarbeiten der EU-Architektur und eine weitere Verlagerung von Macht nach Brüssel erscheinen ihnen nicht die richtigen Antworten auf die einschneidende Entscheidung der Briten. Konkrete Antworten, wie Europa für die Bürger wieder attraktiver werden kann, soll erst der kommende EU-Gipfel nach der Sommerpause bringen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach dem EU-Gipfel in der belgischen Hauptstadt Forderungen nach höheren Staatsschulden und mehr Hilfen für schwächelnde Banken in der Europäischen Union klar abgelehnt. "Ich finde, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt ausreichend Flexibilität hat", sagte die Kanzlerin am Mittwoch in Brüssel.
Gemeinsam mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU hatte Merkel zwei Tage beraten, wie die Schockstarre nach der überraschenden Brexit-Entscheidung der Briten überwunden werden kann. Vor allem Frankreich und Italien, aber auch der Koalitionspartner SPD zu Hause, verlangen eine Abkehr von der Sparpolitik der vergangenen Jahre. Die Staaten sollen durch mehr kreditfinanzierte Investitionen das Wachstum ankurbeln.
Rom drängt zudem auf Hilfen für sein Bankensystem, das unter einer großen Last fauler Kredite ächzt. Auch diese Forderungen bügelte Merkel ab. Die europäische Bankenunion sei noch keine zwei Jahre alt. "Wir können ja nicht alle zwei Jahre die Dinge neu machen", betonte die CDU-Vorsitzende. Die bestehenden Regelungen bieten aus ihrer Sicht genügend Spielraum, um mit schwierigen Situationen umzugehen.
EU will in der Sommerpause Antworten auf Brexit finden Merkel berichtete den wartenden Journalisten, dass sich die Union eine Phase der Reflexion verordnet habe. Nach der Sommerpause wollen die Regierungschefs am 16. September in Bratislava zum nächsten Gipfel zusammenkommen, allerdings ohne den britischen Premierminister. Ziel sei es, in Zukunft schneller und intensiver auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu antworten, sagte Merkel.
Am Montag hatte sie gemeinsam mit dem französischen Staatschef Francois Hollande und Italiens Ministerpräsidenten Matteo Renzi ein Papier beschlossen, das eine stärkere europäische Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit-Verteidigung-Grenzschutz, Wachstum und Arbeit sowie Jugend beschreibt. Dazu sollen nun bis September nun konkrete Projekte entwickelt werden.
Merkel gegen großflächigen Umbau des EU-Gefüges Die Kanzlerin schloss aber einen weitreichenden Umbau des Gepräges der EU als Krisenreaktion auf den kommenden Austritt Großbritanniens aus. Änderungen des EU-Vertrags seien jetzt das Falsche, sagte sie. Laut Merkel wird vor allem die EU-Kommission den Scheidungsprozess mit London führen, EU-Rat und Europäisches Parlament sind aber an den Verhandlungen beteiligt.
EU-Ratspräsident Donald Tusk machte genau wie die deutsche Kanzlerin und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Briten noch einmal deutlich, dass es einen Zugang zum EU-Binnenmarkt nur geben wird, wenn das Vereinigte Königreich die Arbeitnehmerfreizügigkeit akzeptiert. Es werde "keinen Binnenmarkt à la carte" geben, erklärten Tusk und Juncker unisono. Die Befürworter des Austritts aus dem Staatenklub hatten in ihrer Kampagne die aus ihrer Sicht zu starke Zuwanderung aus Osteuropa thematisiert und versucht, damit Wähler auf ihre Seite zu ziehen.
Der nach dem Votum der Briten angeschlagene Kommissionspräsident wehrte sich gegen Rücktrittsforderungen. "Ich lasse mich von der Presse weder entmündigen noch entmutigen", sagte Juncker. Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek hatte ihn als Konsequenz aus dem Brexit-Votum indirekt zum Rücktritt aufgerufen. Zuletzt gab es auch vermehrt Berichte, die Junckers vermeintlich schlechten Gesundheitszustand thematisieren.
Schottland vertritt seine Ansprüche in Brüssel Wie stark der EU-Austritt auch die verschiedenen Landesteile des Vereinigten Königreiches voneinander entfernt, zeigt der Besuch der Regierungschefin Schottlands in Brüssel. Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei SNP wurde am Mittwoch von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und Kommissionschef Juncker empfangen.
"Das ist eine erste Reihe von Treffen, damit die Leute verstehen, dass Schottland nicht wie andere Teile Großbritanniens die Europäische Union verlassen will", sagte Sturgeon. Die Erste Ministerin Schottlands ist eine glühende Verfechterin der Unabhängigkeit von London und hat ein erneutes Referendum über die Abspaltung bereits ins Spiel gebracht.
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June 29, 2016 11:38 ET (15:38 GMT)
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