05.11.2015 17:41:45

UPDATE/Schäuble plant 2016 schwarze Null trotz Mindereinnahmen

   -- Insgesamt 5,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen als erwartet

   -- Schäuble will nach heutigem Stand ohne neue Schulden auskommen

   -- Finanzminister lässt Kosten des Flüchtlingsstroms offen

   (NEU: mehr Schäuble, Reaktionen)

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rechnet auch für 2016 mit einer schwarzen Null im Haushalt, obwohl er dann deutlich geringere Steuereinnahmen einnimmt als zuvor von Experten geschätzt.

   Schäuble und seine Amtskollegen in den Ländern müssen 2016 mit 5,2 Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen auskommen als bisher erwartet. In diesem Jahr soll es allerdings gegenüber der vorherigen Schätzung vom Mai noch Mehreinnahmen in den Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden von ebenfalls 5,2 Milliarden Euro geben. Zu diesem Ergebnis ist am Donnerstag der Arbeitskreis Steuerschätzung gekommen, der drei Tage lang die neuen Zahlen in Nürnberg berechnet hat.

   Dem Bund allein winken nach den Berechnungen dieses Jahr zusätzliche Steuereinnahmen von 1,1 Milliarden Euro, während es im nächsten Jahr 4,9 Milliarden weniger sein sollen als ursprünglich erwartet.

   Kosten des Flüchtlingsstroms nicht absehbar

   Schäuble sagte aber trotzdem eine Einhaltung der schwarzen Null beim Budget nach aktuellem Stand im kommenden Jahr voraus. "Mit Hilfe des Überschusses aus diesem Jahr können wir nach heutigem Stand auch 2016 ohne neue Schulden auskommen", sagte der Finanzminister. "Wir werden es am Ende sehen", räumte er aber auch ein. Man habe "keine Klarheit über die weitere Entwicklung" der Flüchtlingskrise.

   Der Finanzminister hat bereits gesetzliche Vorsorge dafür getroffen, dass im kommenden Jahr die Mehreinnahmen aus dem Jahr 2015 für die Flüchtlingskosten verwendet werden können und so die Lasten schmälern. Einen entsprechenden Nachtragshaushalt hat der Bundestag erst kurz vor Schäubles Pressekonferenz am Donnerstag beschlossen. Eigentlich müsste der Finanzminister mit dem Geld Schulden tilgen.

   Insgesamt sollen die Steuereinnahmen nach der neuen Berechnung 2015 gegenüber dem Vorjahr um 4,4 Prozent auf 671,7 Milliarden Euro und 2016 um 2,2 Prozent auf dann 686,2 Milliarden Euro zunehmen. Im Mai hatten die Schätzer noch mit Einnahmen von 666,5 Milliarden Euro in diesem und 691,4 Milliarden Euro im kommenden Jahr gerechnet. Für die nachfolgenden Jahre veranschlagen die Experten jährliche Zuwächse zwischen 4,6 und 3,3 Prozent. Im Jahr 2020 sollen die Einnahmen bei 795,6 Milliarden Euro liegen.

   Grüne wollen Investitionsoffensive

   Schäuble begründete die Mindereinnahmen im kommenden Jahr mit 2016 eintretenden Steuerrechtsänderungen wie der Beseitigung der kalten Progression und Ausgaben für die Kommunen zur Flüchtlingshilfe. Der Finanzminister rechnete aber damit, dass der Druck des Flüchtlingszustroms nachlässt. "Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Zahlen der vergangenen Wochen und Monate über das Jahr 2016 so fortsetzen werden", erklärte er. "Ich hoffe nicht, dass nächstes Jahr 800.000 Flüchtlinge kommen."

   Die Grünen sahen die Steuerschätzung als Beleg dafür, dass die Kosten für die Flüchtlinge aufgebracht werden können. "Die Ausgaben für die Zuwanderung sind mit mutiger und tatkräftiger Haushaltspolitik gut zu bewältigen", erklärten Fraktionsvize Kerstin Andreae und Budetsprecher Sven-Christian Kindler. Sie forderten Schäuble allerdings dazu auf, im Haushalt umzusteuern und eine Investitionsoffensive zu starten, "die auch die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge in den Blick nimmt".

   Der Bund der Steuerzahler forderte Schäuble nach der Steuerschätzung dazu auf, die Konsolidierung weiterzuführen. "Die Steuerschätzung zeigt: Es ist ausreichend Geld vorhanden, um die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fortzusetzen - ohne Abstriche", erklärte Verbandspräsident Reiner Holznagel. "Für den Bund gibt es keinen Grund, von der Schwarzen Null abzuweichen." Auch die Länder dürften die Schuldenbremse nicht aus den Augen verlieren.

   Schäuble benennt Effekt der VW-Affäre nicht

   Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gab sich hingegen zurückhaltender. "Noch profitieren Bund, Länder und Gemeinden vom wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen", sagte Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. "Blind verlassen sollten sie sich darauf allerdings nicht." Die große Koalition müsse die zweite Regierungshalbzeit jetzt nutzen, um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu ordnen, Steuermehrbelastungen zu vermeiden und die Position der Unternehmen im weltweiten Wettbewerb zu stärken.

   Aus dem Kreis der Steuerschätzer waren für 2016 bereits im Vorfeld Mindereinnahmen angekündigt worden. Begründet wurden sie unter anderem mit den Steuerrechtsänderungen, die den Effekt der immer noch guten Konjunktur zunichte machen würden, aber auch mit zu befürchtenden geringeren Steuerzahlungen von VW wegen der Abgasaffäre.

   Schäuble spielte diese Auswirkung auf die gegenwärtigen Zahlen der Steuerschätzung jedoch herunter, da die Schätzer keine Spekulationen anstellten. Er benannte den Effekt des Skandals auf die Steuereinnahmen auch auf mehrmalige Nachfrage nicht. "Es ist im Moment noch nicht in diesen amtlichen Mechanismen erfassbar", konstatierte der Finanzminister.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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   November 05, 2015 11:10 ET (16:10 GMT)

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