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16.04.2013 19:31:31

UPDATE: Rettung des Emissionshandels in Europa gescheitert

   (Durchgehend neu)

   Von Claudia Wiese

   STRASSBURG--Die Preise für Verschmutzungsrechte bleiben in Europa auf absehbare Zeit am Boden. Das Europäische Parlament sprach sich am Dienstag dagegen aus, mit einem Markteingriff bei Emissionszertifikaten den stark gesunkenen Preis künstlich zu verteuern. Damit bleibt der Emissionshandel zahnlos. Ein hoher Preis für Emissionsrechte sollte Unternehmen eigentlich dazu animieren, ihren Ausstoß des Klimagases CO2 zu reduzieren. Für dieses hehre Ziel des Emissionshandels fehlt nun der Anreiz.

   Mit der Entscheidung dürfte der Emissionshandel weiter an Bedeutung verlieren. Experten gehen davon aus, dass die Preise in den nächsten Monaten weiter fallen.

   EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard hatte dies verhindern wollen. Sie hatte deshalb vorgeschlagen, die Auktion neuer CO2-Zertifikate zu verschieben. Dies hätte die Verschmutzungsrechte verknappt und eine Erhöhung der Preise herbeigeführt. Das ist nun vom Tisch. Das Europäische Parlament lehnte diesen Vorschlag zur Rettung des Emissionshandels mit einer knappen Mehrheit ab, verwies den Vorschlag aber zurück an den Umweltausschuss, der sich nun Änderungen einfallen lassen muss.

   An der Börse gab der Preis für die Emissionsrechte sofort nach. Doch auch längerfristig dürften die Kurse am Boden bleiben. Kash Burchett, Analyst bei IHS Energy, geht nun nicht mehr davon aus, dass es vor den Europawahlen im Herbst 2014 noch einen Beschluss zur Verschiebung der Zertifikate-Auktion - genannt Backloading - geben wird. Und danach müssten wohl komplett neue Vorschläge gemacht werden. "In der Zwischenzeit werden die Preise stark sinken - möglicherweise unter 1 Euro pro Tonne CO2", so der Analyst.

   Am Dienstag stürzte der Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid schon auf deutlich unter 3 Euro von zuvor fast 5 Euro ab. Auch die deutschen Großhandelspreise für Strom gingen in den Keller. An der Leipziger Energiebörse EEX durchbrach der Preis für eine Megawattstunde Strom für das Kalenderjahr 2014 die Marke von 40 Euro und fiel auf ein Allzeittief von 39,50 Euro. Ähnlich wie beim CO2-Preis erholte sich der Kontrakt anschließend wieder leicht.

   Der Emissionshandel wird Analyst Burchett zufolge zumindest in nächster Zeit bedeutungslos werden. Die Mitgliedstaaten würden nun möglicherweise eigene CO2-Preis-Mechanismen einführen. EU-Klimaschutzkommissarin Hedegaard befürchtet genau dies: Dass die Staaten nun ihren eigenen Weg gehen, um die CO2-Preise anzuheben. So hat Großbritannien bereits einen Mindestpreis für Kohlendioxid beschlossen.

   "Es ist das schlimmste Signal, das ausgesendet werden konnte, indem wir für Chaos gesorgt haben", kommentierte der Vorsitzende des Umweltausschusses, Matthias Groote (SPD). "Wir verlieren Zeit, aber wir verlieren auch Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des europäischen Parlaments", kommentierte der Sozialdemokrat weiter. Auch der CDU-Abgeordnete Peter Liese bezeichnete die Abstimmung als "konfuses Signal".

   Groote erklärte aber auch, dass das Backloading nicht die Lösung des Problems sei. Es sollte allerdings Zeit gekauft werden, um das Emissionshandelssystem grundlegend zu überarbeiten. "Diese Zeit haben wir uns heute nicht gegeben".

   Ohne Zustimmung des Parlaments kann die EU das Backloading politisch nicht durchsetzen. Entscheidend wird dennoch sein, ob sich die EU-Mitgliedstaaten für oder gegen Backloading aussprechen. Sie hatten bisher noch keine offizielle Position festgelegt, weil auf die Abstimmung des Parlaments gewartet werden sollte. Außerdem haben einige Länder noch keine Position.

   Unentschieden ist auch die deutsche Regierung. Während Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gegen einen Markteingriff ist, plädiert Umweltminister Peter Altmaier (CDU) dafür. Entsprechend begrüßte Rösler auch die Entscheidung des Parlaments am Dienstag. Altmaier zeigte sich dagegen enttäuscht: "Das ist kein guter Tag für den Klimaschutz". Änderungen an dem Vorschlag sollte es nach Meinung des CDU-Politikers aber nicht geben.

   "Angela Merkel macht sich mitschuldig", kritisiere der SPD-Politiker Groote die anhaltende Diskussion in Berlin. Sie habe nicht dafür gesorgt, dass die Bundesregierung in Brüssel mit einer Stimme spreche. "Das ist der Einstieg in die Re-Nationalisierung der EU-Klimapolitik", erklärte Groote weiter.

   Betroffen von der Entscheidung des EU-Parlamentes sind auch die deutschen Energieriesen E.ON und RWE. An der Börse sank die Aktie von RWE als Reaktion um 2,2 Prozent und E.ON gar um 5 Prozent. Analysten sehen durch den Beschluss den Strompreis in nächster Zeit auf niedrigem Niveau zementiert. Ein niedriger Strompreis ist schlecht für die Stromerzeuger.

   Allerdings mahnen Experten zu einer differenzierten Betrachtung. Grundsätzlich sei die Reaktion des Aktienmarktes zwar rational, sagte Equinet-Analyst Michael Schäfer. "Niedrigere Preise für CO2-Zertifikate bedeuten tendenziell niedrigere Strompreise." Allerdings sei besonders im Fall von RWE zu bedenken, dass das Unternehmen mit seiner großen Flotte von Braunkohle-Kraftwerken von günstigen Zertifikaten profitieren werde.

   Überrascht zeigte sich deshalb Analyst Daniel Seidenspinner vom Bankhaus Metzler. Er hätte bei RWE statt mit Kursverlusten eher mit einem Kursplus gerechnet. Der Konzern sei durch niedrige Preise für CO2-Zertifikate besser gestellt als Konkurrenten, da er mit seinem Kraftwerkspark besonders stark auf Braunkohle setze. "RWE dürfte auch nicht von einem Wertverlust bereits erworbener Zertifikate betroffen sein", so Seidenspinner. Das Unternehmen ist nach eigener Aussage so gehedgt, dass die erworbenen CO2-Zertifikate und die verkauften Strommengen deckungsgleich seien.

   E.ON betreibt dagegen mehr saubere Gaskraftwerke und zeigte sich entsprechend enttäuscht über die Entscheidung. Es sei ein "herber Rückschlag" für den europäischen Klimaschutz. "Europa muss sich dieser großen Herausforderung stellen und schnell wieder seine Handlungsfähigkeit beweisen."

   Von RWE hieß es, dass die Abstimmung im Parlament gegen ein Backloading kein politisches Signal gegen den Emissionsrechtehandel sein dürfte. RWE forderte, dass die Pläne der Europäischen Kommission für strukturelle, langfristige Änderungen des Handelssystems nun zügig umgesetzt werden.

   Ganz vom Tisch ist das Backloading aber noch nicht. Das Parlament hat den Markteingriff nicht abgelehnt, sondern das Thema zurück an den Umweltausschuss verwiesen hat. Der Ausschuss wolle nun beraten, wie es weitergehen soll, erklärte der Berichterstatter Groote. Mit Änderungen könnte der Backloading-Vorschlag damit erneut in eine Abstimmung ins Europäische Parlament gehen.

   So hatten das Parlament auch im vergangenen Dezember die Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste an Flughäfen abgelehnt und an die Ausschüsse zurückverwiesen. Am Dienstag stimmte es dann für einen geänderten Text, mit dem nun doch mehr Wettbewerb bei den Bodendienste geschaffen werden soll. Nur die Schwellenwerte wurden erhöht und soziale Schutzklauseln hinzugefügt.

   Mitarbeit: Jan Hromadko, Hendrik Varnholt und Andreas Lochner

   DJG/kla/jhe

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   April 16, 2013 13:01 ET (17:01 GMT)

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