21.11.2016 19:50:48

UNO: Fast eine Million Menschen in Syrien unter Belagerungszustand

   NEW YORK (AFP)--Fast eine Million Menschen in Syrien sind aufgrund von Kämpfen von der Außenwelt abgeschnitten. Nach UN-Angaben vom Montag hat sich die Zahl der Menschen, die in belagerten Städten und Dörfern in Syrien leben, binnen sechs Monaten verdoppelt. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Stephen O'Brien, machte insbesondere die syrische Regierung für diese "grausame Taktik" verantwortlich.

   O'Brien sagte vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, derzeit lebten 974.080 Menschen in belagerten Städten und Dörfern. Vor sechs Monaten betrug die Zahl demnach 486.700 und vor einem Jahr 393.700. Den Angaben zufolge kamen seitdem neue Orte hinzu, in die weder Lebensmittel noch Hilfe gelangen. Die Bewohner in diesen Gebieten seien "isoliert, ausgehungert, bombardiert und von medizinischer und humanitärer Hilfe ausgeschlossen, um sie zu zwingen, sich unterzuordnen oder zu fliehen", sagte O'Brien.

   Diese Taktik werde "auf haarsträubende Weise von der Konfliktpartei ausgeführt, die in erster Linie ihre eigenen Bürger schützen müsste, selbst diejenigen, die nicht mit der Führung einverstanden sind", sagte der UN-Koordinator mit Blick auf die syrische Regierung. Der Nothilfekoordinator appellierte erneut an die Konfliktparteien, die Belagerungen aufzuheben. Er bedauerte, dass der UN-Sicherheitsrat derzeit "offenbar unfähig oder nicht willens" sei, an dem Zustand etwas zu ändern.

   Die Bewohner der belagerten Orte sind dringend auf Hilfslieferungen angewiesen. Allein in dem von der Außenwelt abgeschotteten, von Rebellen kontrollierten Ostteil der Großstadt Aleppo leben Schätzungen zufolge 250.000 Menschen, die kaum noch etwas zu essen und zu trinken haben. Zudem ist die medizinische Versorgung fast vollständig zusammengebrochen.

   Der UN-Sicherheitsrat befasste sich zum wiederholten Mal mit der humanitären Lage in Syrien. Frankreichs UN-Botschafter François Delattre sagte, die Lage sei "schrecklich, katastrophal". Er machte die syrische Regierung dafür verantwortlich. Die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, nannte die Namen mehrerer syrischer Generäle und Offiziere, die an Angriffen auf Zivilisten beteiligt gewesen seien. Diese würden eines Tages zur Rechenschaft gezogen, sagte sie. Der britische UN-Botschafter Matthew Rycroft nannte die Bombenangriffe der russischen und syrischen Streitkräfte "barbarisch".

   Auch die Bundesregierung gab Russland eine Mitschuld an der "unerträglichen" Lage der Zivilisten in Aleppo. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, Russland sei "aufgrund seines massiven Eingreifens zugunsten des syrischen Regimes mitverantwortlich" für die jüngsten Entwicklungen.

   Die syrische Regierung hatte in der vergangenen Woche eine groß angelegte Offensive auf den Ostteil der Stadt gestartet. Am Sonntag rückten die Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands, des Irans und der libanesischen Hisbollah-Miliz in den Bezirk Masaken Hanano ein und setzten ihren Vormarsch am Montag fort. Den ganzen Tag gab es in den Rebellenvierteln heftigen Beschuss und Explosionen, wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete.

   Nach Einschätzung der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte würde der Verlust von Masaken Hanano eine erhebliche Schwächung für die Rebellen bedeuten. Die Regierung hätte demnach Kontrolle über die Schusslinie auf andere Rebellenviertel und könnte die nördlichen Viertel von Ost-Aleppo vom Rest der Rebellengebiete abtrennen.

   Masaken Hanano war das erste von Rebellen eroberte Viertel in Aleppo - die Rückeroberung wäre für die Regierung daher nicht nur von militärischer, sondern auch von symbolischer Bedeutung, wie der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, sagte. Laut der Beobachtungstelle, deren Angaben nicht unabhängig überprüft werden können, wurden am Montag fünf Zivilisten im Ostteil Aleppos getötet, seit Beginn der Großoffensive insgesamt mehr als hundert.

   Ein europäischer Diplomat sagte, die Einnahme von Ost-Aleppo durch Regierungstruppen sei "nur noch eine Frage der Zeit". "Es ist nur noch die Frage, wie lange die Rebellen aushalten".

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/bam

   (END) Dow Jones Newswires

   November 21, 2016 13:19 ET (18:19 GMT)- - 01 19 PM EST 11-21-16

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!