Stabilisierungspaket |
21.09.2022 17:49:40
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Uniper-Aktie beschleunigt Talfahrt weiter: Verstaatlichung von Uniper beschlossen - Fortum-Aktie sehr stark
Der Bund kauft Fortum seine Beteiligung an dem Düsseldorfer Energieversorger für einen Bruchteil seines ursprünglich getätigten Investments ab. Der Staat zahle für Fortums Anteile 1,70 Euro je Aktie. In Summe sind es 480 Millionen Euro, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwochmorgen bei einer Pressekonferenz in Berlin sagte. Damit verliert der finnische Konzern einen Großteil seines Investments. Dieses hat sich laut Habeck auf acht Milliarden Euro belaufen.
Derzeit hält Fortum knapp 78 Prozent an Uniper. Fortum selbst gehört zu knapp 51 Prozent dem finnischen Staat. Der Konzern erhält in der getroffenen Vereinbarung das Recht, ein erstes Angebot abgeben zu dürfen, falls Uniper sich entscheiden sollte, das gesamte oder Teile des schwedischen Wasserkraft- oder das Kernenergie-Geschäft zu veräußern. Derzeit bestehen laut Uniper aber keine Verkaufsabsichten.
Weiterhin sieht die Einigung die Ablösung einer Kreditlinie von Fortum vor. Diese besteht aus einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sowie einer sogenannten Garantielinie in Höhe von ebenfalls vier Milliarden Euro. Die staatliche KfW-Bank werde Uniper Finanzmittel entsprechend ihrem Liquiditätsbedarf zur Verfügung stellen, berichtete Uniper weiter. Die Stabilisierungsmaßnahmen stehen noch unter Vorbehalt. So stünden noch Genehmigungen der EU-Kommission aus. Im vierten Quartal 2022 soll eine außerordentliche Uniper-Hauptversammlung die Maßnahmen beschließen.
Schon im Juli hatten sich die Bundesregierung, Uniper und Fortum auf ein milliardenschweres Rettungspaket geeinigt. Es hatte bereits eine Minderheitsbeteiligung des Bundes vorgesehen. Ende August hatte der Konzern die beschlossenen Kreditlinien der KfW bereits auf 13 Milliarden Euro erweitert. Davon seien bislang 11 Milliarden Euro in Anspruch genommen, sagte Habeck am Mittwoch. Am 14. September hatte Uniper mitgeteilt, dass bei den Gesprächen über das Stabilisierungspaket auch eine Kapitalerhöhung geprüft werde, die zu einer "signifikanten Mehrheitsbeteiligung" des Bundes an Uniper führen würde.
Uniper ist in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland pumpt. Der Gas-Großhändler ist Lieferant für über 100 Stadtwerke und große Unternehmen und spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung von Deutschland. Das aus Russland fehlende Gas muss sich das Unternehmen jetzt teuer auf dem Gasmarkt kaufen. Zuletzt hatte Uniper von täglichen Verlusten in Höhe von über 100 Millionen Euro gesprochen.
Die Bundesregierung sicherte auch den anderen großen Gasimporteuren Unterstützung bei Bedarf zu. "Der Staat wird, das zeigen wir ja, alles Nötige tun, um die Unternehmen immer stabil am Markt zu halten", sagte Habeck. "Das gilt für Uniper. Das gilt für die anderen großen systemrelevanten Unternehmen in Deutschland."
Der Bund ist in der Vergangenheit bereits mehrfach Unternehmen finanziell zur Seite gesprungen, etwa in der Corona-Krise der Fluggesellschaft Lufthansa oder dem Reiseanbieter TUI. Unter dem Druck der Finanzkrise beteiligte sich der Staat Anfang 2009 an der Commerzbank. Beobachter gehen davon aus, dass die Uniper-Übernahme durch den Bund die größte Rettungsaktion für ein einzelnes Unternehmen in der bundesdeutschen Geschichte ist. Trotz dieser will Habeck vorerst am Instrument der Gasumlage festhalten.
Die Umlage sei als Brücke notwendig, um die Finanzsolidität von Uniper sicherzustellen, sagte Habeck. Sie soll demnach wie geplant zum 1. Oktober eingeführt werden. Mit der Gasumlage sollen Gasimporteure gestützt werden, die wegen der hohen Einkaufspreise für russisches Gas in Schwierigkeiten geraten. Derzeit ist die Umlage für alle Gasnutzer auf rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Die ersten Abschlagszahlungen sollen nach aktuellem Stand frühestens im November an Unternehmen gehen.
Habeck betonte, dass die Bundesregierung einen "rechtssicheren Weg" gefunden habe, um "sogenannte Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen". Gemeint sind die Nachbesserungen, die Habeck an der Gasumlage versprochen hatte, nachdem bekannt geworden war, dass möglicherweise auch jene Unternehmen von der Gasumlage profitieren könnten, die Profite machen und nicht in Not sind. Mit der nun offiziell angekündigten Verstaatlichung von Uniper ergebe sich für die Umlage aber eine Situation, die geprüft werden müsse, führte Habeck aus.
Ob die Umlage dann, wenn Uniper ein Staatsunternehmen sei, noch verfassungskonform erhoben werden könne, sei eine berechtigte Frage, erklärte der Minister. Finanzverfassungsrechtliche Prüfungen dazu liefen auf Hochtouren. Die Umsetzung der geplanten Verstaatlichung von Uniper dauere mindestens drei Monate, erklärte Habeck weiter.
Bundesregierung betont Dringlichkeit von Uniper-Rettungspaket
Die Bundesregierung hat die Dringlichkeit der geplanten Verstaatlichung des Energiekonzerns Uniper betont. Die Kapitalerfordernisse von Uniper hätten sich durch die komplette Einstellung der vertraglich vereinbarten Gaslieferungen aus Russland und die stark gestiegenen Gaspreise signifikant erhöht, teilte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch in Berlin mit. "Die dadurch weiter gestiegenen Ersatzbeschaffungskosten haben die Notlage des größten deutschen Importeurs von russischem Gas verschärft."
Der Erwerb der Aktien könne erst nach Erfüllung diverser regulatorischer Anforderungen und der Genehmigung durch die Hauptversammlung von Uniper erfolgen, betonte das Ministerium. Außerdem bedürfe das Unterstützungspaket der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission. "Uniper ist eine zentrale Säule der deutschen Energieversorgung", betonte das Ministerium. "Durch die heute beschlossene mehrheitliche Übernahme erlangt der Bund die wesentlichen Mitsprache- und Kontrollrechte bei dem Unternehmen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherstellen zu können."
Uniper-Betriebsrat fordert langfristiges Engagement des Bundes
Der Uniper-Betriebsratschef hat nach der Einigung auf die Verstaatlichung des Energieversorgers eine dauerhafte Unterstützung durch den Bund gefordert. "Deutschland braucht Uniper und Uniper braucht Deutschland", sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Harald Seegatz. "Der Bund muss seine Beteiligung bei Uniper als langfristiges Engagement sehen", sagte Seegatz. Die Verstaatlichung sei der richtige Schritt, um das für die deutsche Energieversorgung systemrelevante Unternehmen mit seinen 5.000 Beschäftigten allein hierzulande zu stabilisieren.
Auch die Gewerkschaft Verdi begrüßte die Entscheidung. "Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie ist im Sinne der Beschäftigten", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Eine Insolvenz hätte ein unkalkulierbares Risiko für den Gasmarkt in Deutschland und die gesamte Energie- und Wärmeversorgung dargestellt.
Gewerkschaft begrüßt geplante Verstaatlichung von Uniper
Die Gewerkschaft Verdi begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, den Gasversorger Uniper fast komplett zu verstaatlichen. "Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie ist im Sinne der Beschäftigten", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz am Mittwoch in Berlin laut Mitteilung. Eine Insolvenz wäre ein unkalkulierbares Risiko für den Gasmarkt in Deutschland und die ganze Energie- und Wärmeversorgung.
Die Übernahme sei der richtige Schritt, um das Unternehmen zu stabilisieren, ergänzte der Uniper-Konzernbetriebsratsvorsitzende Harald Seegatz. Uniper sei mit seinen rund 5000 Beschäftigten allein in Deutschland für die Energieversorgung systemrelevant und benötige dauerhafte Unterstützung. "Der Bund muss seine Beteiligung bei Uniper als langfristiges Engagement sehen", forderte Seegatz.
Energie-Ökonomin betrachtet Uniper-Verstaatlichung als "notwendiges Übel"
Die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die geplante Verstaatlichung des Gasimporteurs Uniper als "notwendiges Übel" bezeichnet. "Uniper ist systemrelevant und muss geschützt werden", erklärte Kemfert am Mittwoch in Berlin. Schon vor Jahren sei jedoch klar gewesen, dass "fossile Geschäftsmodelle" dauerhaft keine Zukunft hätten. "Nun müssen sie quasi in einer fossilen Bad Bank aufgefangen werden - mit Steuergeld, das uns dann an anderer Stelle fehlt."
Eine Gasumlage hält die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin für nicht mehr nötig. "Sie sollte abgeschafft werden, da sonst praktisch doppelt bezahlt werden würde." Kemfert sprach sich für eine Aufweichung der Schuldenbremse aus, "damit wir die dringend notwendige Transformation bezahlen können"./tob/DP/stw
So verhalten sich die Uniper-Aktie und die Fortum-Aktie
Die geplante mehrheitliche Übernahme des angeschlagenen Energiekonzerns Uniper durch den deutschen Staat hat am Mittwoch die Altaktionäre weiter in die Flucht getrieben. Der von der Bundesregierung gezahlte Übernahmepreis von 1,70 Euro je Aktie befeuert Befürchtungen bei den Investoren, auf noch größeren Verlusten sitzenzubleiben. Da der Bund keinen Ausschluss (Sqeeze Out) der Altaktionäre plant, könnte sich dies als weitere Belastung für den Kurs erweisen. Denn noch mehr Investoren könnten nun versuchen, ihre Papiere am Markt zu verkaufen, um einen Totalverlust zu vermeiden.
Zuletzt lag der Kurs am Markt trotz des Einbruchs noch deutlich über dem Übernahmepreis durch den Staat: Papiere des schwer angeschlagenen Energiekonzerns Uniper verloren am Mittwoch auf XETRA letztlich 26,34 Prozent auf 3,076 Euro. Im bisherigen Tagestief ging es sogar um 39 Prozent abwärts auf 2,55 Euro. Der Kursverlust der Anteile des 2016 von E.ON abgespaltenen Unternehmens beläuft sich in diesem Jahr aktuell auf rund 93 Prozent.
Papiere des finnischen Versorgers Fortum haben hingegen mit einem Kurssprung auf die Nachricht einer weitgehenden Verstaatlichung der angeschlagenen Uniper reagiert. Zeitweise ging es an der Heimatbörse in Helsinki schließlich um 9,50 Prozent auf 13,25 Euro nach oben. In der Spitze betrug das Plus zuvor nahezu 20 Prozent.
Damit ist die Talfahrt des Wertes, der sich seit Herbst vergangenen Jahres in der Spitze fast gedrittelt hatte, gestoppt.
Branchenkenner sehen den Deal aktuell vor allem für Fortum positiv. Die Verstaatlichung von Uniper sei für die Finnen ein sauberer Schnitt und zerstreue die Befürchtungen von Investoren, kommentierte Deepa Venkatesvaran vom Analysehaus Bernstein. Die Experten der US-Investmentbank JPMorgan hoben in diesem Zusammenhang vor allem die Rückzahlung einer milliardenschweren Kreditlinie an Fortum hervor. Damit bleibe der finnische Versorger letztlich nur auf dem ökonomischen Schaden durch den Kursverlust der Aktie sitzen.
Der Uniper-Beteiligung von Fortum habe der Markt ohnehin keinen Wert mehr beigemessen, stellte Bernstein-Analystin Venkatesvaran in diesem Zusammenhang fest. Dass die Finnen ihre Aktien nun zu 1,70 Euro je Stück verkauften, bedeute deshalb nach ihren Berechnungen für Fortum immerhin noch einen Wertzuwachs von etwa 500 Millionen Euro. Zudem stärke die Entkonsolidierung das Eigenkapital der Skandinavier um 5 Milliarden Euro. Die JPMorgan-Experten gehen nunmehr davon aus, dass die Fortum-Aktie sich wieder an der Bewertung als alleinstehendes Unternehmen orientieren wird.
BERLIN (dpa-AFX / Dow Jones)
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