26.11.2013 17:55:31
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Union und SPD kommen sich bei Pkw-Maut und anderen Streitfragen näher
Von Andreas Kißler
BERLIN--Bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD zeichnen sich Fortschritte bei der Einführung einer Pkw-Maut und anderen umstrittenen Themen ab. "Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird", heißt es in einem aktualisierten Entwurf des Koalitionsvertrages, in den Dow Jones Newswires Einblick hatte.
Die Ausgestaltung solle EU-rechtskonform erfolgen. "Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden", heißt es in dem Entwurf, der nach der Verhandlungsrunde in der Nacht zum Dienstag erstellt wurde.
Die Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD haben bei ihren Beratungen über die Bildung einer Großen Koalition am Dienstag die Schlussrunde begonnen. Seit dem Mittag sitzen sie in einem Kreis von rund 15 Personen in der SPD-Parteizentrale, um Lösungen auszuhandeln. Vertreter der potenziellen Koalitionäre zeigten sich zu Beginn vorsichtig optimistisch, machten aber auch entscheidende Differenzen deutlich.
Unions-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte, beide Seiten seien sich bei der Pkw-Maut "deutlich näher" gekommen, unter der Bedingung, dass deutsche Autofahrer nicht höher belastet würden. "Das ist eine Absichtserklärung, auf die wir uns, glaube ich verständigen können", sagte er.
Außer zu der von der CSU geforderten Pkw-Maut haben sich beide Seiten offenbar auch darauf geeinigt, keine Grenze für Managergehälter vorzusehen, und die Energiekonzerne nicht dazu zu verpflichten, Gelder für den Rückbau der Atomkraftwerke in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzuzahlen.
Bei den Managergehältern rückte die SPD offenbar von der Formulierung wieder ab, dass der Aufsichtsrat bei börsennotierten Unternehmen verpflichtet werde, "ein Maximalverhältnis zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen des jeweiligen Unternehmens festzulegen". Dies war auf Bedenken in der Union gestoßen. "Um Transparenz bei der Feststellung von Managergehältern herzustellen, wird über die Vorstandsvergütung künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden", heißt es in dem Vertragsentwurf jetzt lediglich.
Der von der SPD zuvor geforderte Fonds für die AKW-Abrisskosten wird in dem Entwurf ebenfalls nicht erwähnt. "Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden. Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen", heißt es dort nun.
Eine Einigung gibt es nach dem neuen Entwurf auch beim umstrittenen Thema der Vorratsdatenspeicherung, zu dem die bisherige Bundesregierung die Umsetzung von EU-Recht verweigert hatte. "Die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten werden wir umsetzen", heißt es. Allerdings solle ein Zugriff auf die gespeicherten Daten "nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben" erfolgen.
Bei den Gesprächen am Dienstag geht es neben Streitthemen wie Mindestlohn, Energiepolitik und Rentenpolitik vor allem um die Finanzierung der zahlreichen Ausgabenwünsche, die die potenziellen Partner in zwölf Arbeitsgruppen angehäuft haben. Das Ringen um das Finanztableau werde "sicher lange in Anspruch nehmen", sagte Gröhe.
Bereits jetzt ist klar, dass nur ein Bruchteil der Wünsche umgesetzt werden kann, deren Realisierung ein Volumen von 50 bis 60 Milliarden Euro kosten würde. Gröhe nannte als Größenordnung für das realisierbare Volumen 15 Milliarden Euro. Vertreter beider Seiten hielten aber auch vor der entscheidenden Runde an Ausgabenwünschen fest, die von der anderen Seite bisher abgelehnt werden.
"Dass wir die Mütterrente haben wollen, ist klar", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Andererseits deutete SPD-Sozialexpertin Manuela Schwesig an, dass die SPD von ihren Vorstellungen zum Mindestlohn keine Abstriche machen will. "Wir wollen einen Mindestlohn von 8,50 Euro in ganz Deutschland und wollen davon auch keine Branchen ausnehmen und keine Personen."
Die SPD habe gesagt, wie wichtig ihr der Mindestlohn ist, betonte Nahles. "Das wird auch heute ein ganz klarer Knackpunkt bei den Verhandlungen werden", erwartete sie.
Zu den Streitthemen zählen auch noch gesellschaftspolitische Grundsatzfragen wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder Volksentscheide. Die finanzwirksamen Vorhaben stehen in dem 171 Seiten umfassenden Dokument grundsätzlich in eckigen Klammern, und unter dem Punkt "Prioritäre Maßnahmen" findet sich eine Leerstelle.
Im Willy-Brandt-Haus will am Abend die große Runde der Koalitionsverhandlungen mit ihren rund 75 Teilnehmern zu ihrer letzten Sitzung zusammenkommen, um die Details endgültig auszuhandeln - notfalls die ganze Nacht. Immer wieder dürfte es dann auch zu Gesprächen der drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) kommen. Am Mittwoch soll der Koalitionsvertrag nach ihrer Planung stehen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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November 26, 2013 11:22 ET (16:22 GMT)
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