03.12.2013 20:44:59

Thüringische Landeszeitung: Der Wolf kommt / Kommentar von Gerlinde Sommer zu einem erstmals in Thüringen gesichteten Exemplar dieses Raubtieres

Weimar (ots) - Wir kennen den Wolf nur aus dem Märchen. Seine Rolle dort ist so unangenehm wie die der Stiefmutter. Der Wolf kann es allemal aufnehmen mit diesen grauenerregenden Frauengestalten, die Schneewittchen oder Aschenputtel das Leben schwer machen. Der Wolf und die sieben Geißlein kennt jeder. Und niemand hat sich als Kind je mit dem Wolf identifiziert. Nun kommt dieser Wolf zurück. Leibhaftig. Das rührt an alledem, was uns über ihn erzählt wurde. Und das meiste davon ist - siehe Stiefmutter - falsch, hinterhältig und gemein.

Der Wolf ist ein Wildtier - und unsere bebauten Gebiete, unsere verdichteten Landschaften sind nicht gerade das, was er als idealen Lebensraum anstrebt. Wenn er kommt, dann wird er nicht hinter der Garage auf uns, die wir am Dorfrand wohnen, lauern. Er wird nicht wie in Filmen aus den Weiten Sibiriens oder Kanadas Jagd auf einsame Schneewanderer machen. Er wird eher zu den Verkehrsopfern zählen. Und bisweilen wird er - nicht immer zu unrecht - im Verdacht stehen, ein Reh oder ein Schaf gerissen zu haben.

Wer hat Angst vor dem bösen Wolf? Die Frage geht in die Irre. Denn das Tier ist nicht böse. Aber unserer Ängste müssen wir uns auch nicht schämen. Wir brauchen mehr Information über den Wolf - und wir müssen den Kindern sagen: Märchen sind Märchen - und keine Realität.

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