01.05.2017 20:47:56

Südwest Presse: Leitartikel über die FDP und ihre Ein-Mann-Show

Ulm (ots) - Noch fünf Monate, dann soll die mühsame Zeit der außerparlamentarischen Opposition für die FDP zu Ende sein. Niemand dürfte sich das so sehr wünschen wie Parteichef Christian Lindner. Denn auf seinen noch recht jungen Schultern lastet die große, ja übergroße Verantwortung, die Freien Demokraten in den Bundestag zurückzuführen. Seit dreieinhalb Jahren gibt er ihnen praktisch im Alleingang das Gesicht. Seine Ein-Mann-Show ist mühsam, aber zwangsläufig. Die FDP muss froh sein, dass sie immer noch in Talkshows und zu Zeitungsinterviews eingeladen wird. Dann ist ihr Chef gefragt. Wer sonst sollte die Partei repräsentieren? Die Personaldecke ist dünn. Da ist noch Parteivize Wolfgang Kubicki, der schon wegen seiner flotten Sprüche geladen wird. Zum Thema Außenpolitik Alexander Graf Lambsdorff. Das war's. Immerhin sind die Zeiten ständiger interner Streitigkeiten vorbei - angesichts der früheren Liebe zum Intrigantenstadl nicht selbstverständlich. Lindners Ein-Mann-Show ist riskant für ihn wie für die Partei. Ein falscher Spruch zur falschen Zeit kann fatale Folgen haben. Dabei hat er den Vorteil, dass er zwar sehr eloquent ist, aber nicht so polarisiert wie früher Guido Westerwelle. Er neigt auch nicht zu populistischen Sprüchen, und hat weitgehend der Versuchung widerstanden, auf diesem Weg um Aufmerksamkeit zu heischen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Bei der Flüchtlingskrise brauchte er einigen Anlauf, bis er sich zu einer Meinung durchgerungen hatte. Dann ging er auf deutliche Distanz zu Kanzlerin Angela Merkel, der er immer noch Rechtsbeugung vorwirft. Das klingt verdächtig wie der Versuch, das Reservoir jener Unzufriedenen abzuschöpfen, die nicht gleich AfD wählen wollen. Das Wahlprogramm, das der Parteitag am Wochenende beschlossen hat, ist das vorläufige Ende eines Erneuerungsprozesses, den Lindner geschickt angestoßen hat. Im Mittelpunkt stehen die Bürger und ihre Freiheit und nicht, wie bei den Konkurrenten, ihre Beglückung mit immer neuen Gesetzen. Bildung und Digitalisierung sind die zentralen Zukunftsthemen, die positiv besetzt werden sollen. Steuersenkungen sind nicht gestrichen, aber längst nicht mehr so zentral. Das kann der FDP nur guttun. 2009 war Westerwelle als Tiger gesprungen und schnell als Merkels Bettvorleger gelandet. Er konnte nicht liefern, was ihm letztlich das Genick brach. Dieses Trauma wirkt nicht nur bei Lindner nach. Schon lange versprechen die Umfragen der FDP, dass sein Weg der Erneuerung Erfolg hat. Kein Wunder, dass sie schon als potenzieller Koalitionspartner von Union und SPD umworben wird. Ob das der Partei und ihrem Vorsitzenden gut täte, ist zu bezweifeln. Zu groß ist die Gefahr, dass sie dafür erhebliche Kompromisse eingehen müssten und zentrale Ziele nicht durchsetzen könnten. Wobei sich Lindner Gesprächen auch nicht grundsätzlich verweigern kann, schon weil die FDP nicht für Fundamentalopposition gewählt wird. Es bleibt spannend - vor und nach der Wahl.

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Pressekontakt: Südwest Presse Ulrike Sosalla Telefon: 0731/156218

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