24.01.2017 21:33:56
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Südwest Presse: Leitartikel: Kanzlerkandidatur SPD
Ulm (ots) - Beim letzten Mal eine Sturzgeburt - und jetzt?
Jedenfalls ist aus der Kür des SPD-Kanzlerkandidaten wieder kein
geordnetes Verfahren geworden. Dabei hatte der von Sigmar Gabriel
verordnete Zeitplan sogar erstaunlich lange funktioniert. Doch am
Ende stehen sich überstürzende Ereignisse, irritierende Meldungen,
über den Haufen geworfene Abläufe - ein Kommunikationsdesaster. Das
alles liegt zunächst einmal als Schatten auf sämtlichen
Personalentscheidungen, die von der SPD nun auf Vorschlag ihres
scheidenden Vorsitzenden zu fällen sind. Sigmar Gabriel hat sich den
Zweifeln an seiner Eignung als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl
im September gebeugt - den eigenen Bedenken und den Vorbehalten in
der SPD. Dass er so lange für diesen Entschluss brauchte, hat zu der
Verwirrung geführt, die in den vergangenen Tagen rund um die offene
K-Frage und den Wechsel im Auswärtigen Amt entstanden war. Gabriel
hat die Geduld seiner Genossen über Gebühr strapaziert und die
Erwartungen vieler Parteifreunde an ihren Vorsitzenden enttäuscht. Es
ist daher folgerichtig, dass er auch als SPD-Chef abdankt. Es wird
nicht wenigen Sozialdemokraten bis in die engste Führung hinein
schwer fallen, die Empfehlungen Gabriels zur Besetzung von
Schlüsselpositionen in Partei und Regierung zu akzeptieren. Dass er
offenbar nicht die SPD-Gremien zuerst über seine Entscheidungen und
Beweggründe informierte, sondern ausgesuchte Medien, dürfte Kritik
und Widerspruch hervorrufen. Das kann eine selbstbewusste Partei
nicht auf sich sitzen lassen, es riecht zu sehr nach einer Revanche
Gabriels für sein miserables Wahlergebnis beim letzten Parteitag.
Andererseits bleibt der SPD nicht viel Zeit, mit ihrem bisherigen
Vorsteher und dessen überraschender Absicht zu hadern, Steinmeier als
Chefdiplomat der Republik zu beerben. Im Vorfeld von drei
Landtagswahlen in diesem Frühjahr, besonders dem wohl
richtungweisenden Urnengang in Nordrhein-Westfalen im Mai, kann sich
die Partei keine langen Debatten über Umgang und Stilfragen leisten,
wenn sie sich nicht aufgeben will. Und Martin Schulz als
Kanzlerkandidat steht nicht wirklich zur Disposition, auch wenn es
Unmut bei möglichen Konkurrenten oder Reserven wegen seiner
mangelnden Trittsicherheit auf dem Feld der deutschen Innenpolitik
geben sollte. Für eine Urwahl ist es definitiv zu spät. Es wird jetzt
alles davon abhängen, wie eng sich die Parteiführung um Gabriel und
Schulz schart, wieviel Selbstdisziplin und Geschlossenheit die SPD
insgesamt aufbringt und wie schnell die Genossen nach diesem
Paukenschlag zu einer neuen Formation finden. Und selbst wenn die
alles andere als unumstrittenen Personalentscheidungen getroffen
sind, ohne dass es größere Reibungsverluste und zusätzliche
Verletzungen gibt, steht der wieder einmal durchgeschüttelten SPD die
schwierigste Aufgabe ja noch bevor: Sie muss die Arbeit der
schwarz-roten Koalition ordentlich zu Ende bringen und sich rüsten
für einen Wahlkampf, dessen Verlauf und Ergebnis so offen sind wie
nie.
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Pressekontakt: Südwest Presse Ulrike Sosalla Telefon: 0731/156218
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