Vom Land am Kap 03.11.2013 03:00:01

Südafrikas neue Unternehmer: Coole Aussichten

von Andrea Jeska, Euro am Sonntag

Entspannt sitzt Reuben Riffel in der Bar des Fünfsternehotels One & Only in Kapstadt. Während er über die Sehnsucht der Stadtbewohner nach Tradition und Ursprünglichkeit philosophiert, spiegeln sich in der Fensterfront die Silhouetten schicker, direkt am Meer gelegener Apartmenthäuser. Gerade hat Riffel im nahen Küstenstädtchen Paternoster sein viertes Restaurant eröffnet. Die südafrikanischen Zeitungen haben die Gelegenheit genutzt, mal wieder die Geschichte des Jungen zu erzählen, der es von „rags to riches“, von Lumpen zu Reichtum, brachte.

Riffel ist der Jamie Oliver Süd­afrikas. Ein Star der Gourmetszene und der Prototyp des neuen Unternehmertums in Südafrika: jung, schwarz, unkonventionell und mit einer selbstbewussten Anhänglichkeit an seine Herkunft. Der Sohn eines Farmers lernte das Kochen von seiner Mutter und seiner Tante. „Ich koche nur die Sachen, mit denen ich aufgewachsen bin. Das sagt viel über mich, aber auch über mein Land aus“, sagt Riffel werbewirksam. Kompromisse in Bezug auf die kulinarischen Ansprüche seiner gut betuchten Kundschaft muss allerdings auch er machen. Statt Eintopf à la Mama stehen edle Klassiker wie Hummer, Austern oder Rindercarpaccio auf seiner Speisekarte.

Dennoch: Es ist diese Art von schwarzem Selbstbewusstsein, mit der Jungunternehmer, Künstler oder Designer gerade die urbanen Zentren von Südafrika erobern. Jenseits von Black Economic Empowerment, jenem Zaubermittel, mit dem es nach dem Ende der Apartheid gelingen sollte, der schwarzen Mehrheitsbevölkerung nicht nur zu politischer, sondern auch zu wirtschaftlicher Macht zu verhelfen, etabliert sich ein schwarzer, äußerst kreativer Mittelstand, der seine Ideen aus den eigenen Wurzeln bezieht. Lange waren schwarzes Design, schwarze Kunst oder schwarze Start-up-Firmen in die Grenzen der Townships gebannt, galten bestenfalls als ethnisch, vor allem aber als zweitrangig gegenüber den Produkten und Ideen der Weißen. Schwarze Künstler malten Souvenirkunst, Designer nähten Ethnomode und Köche schafften es selten bis zum Küchenchef. Ob Mangel an Möglichkeiten und Chancen oder Mangel an Selbstwertgefühl — es gab viele Erklärungen.

Dann kamen Menschen wie Reuben Riffel, der fast über Nacht zu Ruhm gelangte, als er im Weinstädtchen Franschhoek das erste Restaurant eröffnete. Inzwischen gibt es unzählige weitere Erfolgsgeschichten. Die Protagonisten sind Stellvertreter für eine neue, selbstbewusste und immer besser ausgebildete Gesellschaftsschicht, die nicht mehr als Hilfsempfänger, sondern endlich als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden will. Und sie sind — zumindest auch — das Ergebnis einer gezielten Förderung schwarzer Unternehmer durch die Politik.

Bessere Aufstiegschancen
Die Ergebnisse sind beachtlich. Monatlich ziehen bis zu 50.000 schwarze Südafrikaner aus den Townships in die ehemals weißen Vorstädte. Der Anteil der schwarzen Bevölkerung an der Mittelschicht Südafrikas hat sich in den vergangenen acht Jahren von acht auf 16 Prozent verdoppelt. Zur Mittelschicht gehört, wer mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt: ein monatliches Haushaltseinkommen zwischen 15.000 und 50.000 Rand (1.200 bis 2.800 Euro), Besitz eines Autos, fest beschäftigt als Angestellter sowie Besitz oder Miete eines Hauses in der Stadt für mehr als 4.000 Rand im Monat. Gerade auch durch zunehmende Aufstiegschancen der schwarzen Bevölkerungsgruppe ist das Pro-Kopf-Einkommen in Südafrika seit dem Ende der Apartheid um 40 Prozent gestiegen.

Eine Entwicklung, die auch für die Wirtschaft bedeutend ist. „Der wach­sende Kaufkraftanteil der schwarzen Bevölkerung in Südafrika ist deutlich zu spüren. Auch für die vor Ort aktive deutsche Wirtschaft macht sich dies bemerkbar“, sagt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

Große Unterschiede
Trotz dieser vielversprechenden Entwicklungen ist aber auch klar: Die ­Einkommensungleichheit zwischen Schwarzen und Weißen, die in Südafrika eine der stärksten der Welt ist, wird noch lange fortbestehen. Und natürlich erleben die wenigsten Unternehmer einen derart kometenhaften Aufstieg wie Riffel. Für die meisten ist der Weg nach oben ein harter Kampf.

Fast zwanzig Jahre sind vergangen, seit Nelson Mandela in seiner Antrittsrede als neuer Präsident seine Landsleute dazu ermutigte, Großes zu leisten. Die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung lebt nach wie vor in armen Verhältnissen, zu Millionen in Townships, oft genug ohne Wasser und Strom. Denn nur auf den ersten Blick sind die Wachstumszahlen ein Erfolg. Bei einer Gesamtbevölkerung von 35 Millionen Menschen sind 4,2 Millionen Mittelständler eben nur zwölf Prozent.

Unter den erfolgreichen Unternehmern des Landes sind Nichtweiße in der Minderheit, erschreckend wenige Schwarze haben es ganz nach oben geschafft. Die Top Twenty sind fast ausschließlich weiß. Lediglich der Begründer der Kosmetikmarke Black like me, Herman Mashaba, sowie der Eigner von African Rainbow Minerals, Patrice Motsepe, stehen auf dieser Liste. Während der weiße Mittelstand Südafrikas im Jahr umgerechnet 8.000 Euro für Einkäufe ausgeben konnte, stehen dem schwarzen Mittelstand lediglich 1.000 Euro zur Verfügung.

Eine, die den harten Weg gehen musste und noch immer geht, ist die Modedesignerin Maloti Mothobi. Ihr Label Strato ist die erfolgreichste Streetfashion-Marke in Südafrika, doch noch immer designt und näht die 28-Jährige ihre Kleidung im Hinterzimmer ihres Ladengeschäfts in der Long Street. Dort sind die Mieten hoch, zu hoch eigentlich für eine Jungunternehmerin. Doch eine bessere Adresse, um zu zeigen, dass sie es geschafft hat, hätte sich Mothobi kaum suchen können.

Boulevard des Erfolgs
Nirgends lässt sich das neue schwarze Selbstbewusstsein inten­siver erleben als in Kapstadt. Vielleicht, weil die Stadt auf den ersten Blick so europäisch ist, dass das Afrikanische heraussticht. Vielleicht auch, weil man in Kapstadt mit den Erfolgsgeschichten wie mit Ware handelt und sie sich in den Coffeebars der Long Street erzählt: bei hausgemachten Sandwiches nach streng ökologischen Kriterien und Fair-Trade-Kaffee.

Schon immer war die Long Street voller Bars und Boutiquen, das Publi­kum jung und auf der Suche nach Produkten jenseits des Mainstreams. Doch die Eigentümer waren noch bis vor wenigen Jahren weiß, ebenso wie ihre Klientel. Heute ist die Long Street die Flaniermeile der weißen wie der schwarzen Hipster-Generation, die alles sein will, nur nicht angepasst — die Jutebeutel trägt und ­allem Leben am liebsten einen Vintage-Anstrich gäbe.

Als Mothobi vor drei Jahren dort ihren Laden eröffnete, wusste sie anfangs oft nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollte. Tagsüber stand sie im Laden, nachts nähte sie auf einer Maschine, die ihre Mutter ihr geschenkt hatte, als Mathobi noch ein Teenager war und sich ihr Talent für Mode abzeichnete.

Im Sommer war es in dem Hinterzimmer immer zu heiß, im Winter so kalt, dass Mothobi Handschuhe trug. „Da braucht man ein Ziel, um nicht aufzugeben“, lacht sie grimmig. Aufgewachsen in den 90er-Jahren im Bergstaat Lesotho, hätte Mothobi nie gewagt, an eine Ausbildung zur Designerin zu denken. „Das war etwas für Weiße.“ Sie kam nach Kapstadt und versuchte sich zunächst als Model. Mit Glück landete sie als Einkäuferin bei einer Warenhauskette, brachte es dort bis zur Juniorchefin. Das eröffnete ihr Möglichkeiten — auch die, Design zu studieren.

2006 entwarf sie erstmals eine ­eigene Kollektion. Dass sie ihr Label Strato nannte, hat seinen Grund. Strato ist ein Slangwort für „Straße“ — und genau daher bezieht Mo­thobi ihre Inspirationen. Lokal, zeitgemäß, unprätentiös: jene Eigenschaften, die Riffels Erfolg garantierten, wurden auch Mothobis Rezept.

2010 eröffnete sie ihr Geschäft, und schon ein Jahr später trugen die Modelle bei der Cape Town Fashion Week Mode von Strato. Inzwischen gibt es diese auch online zu bestellen, das nächste Ziel soll der Export sein. „Kapstadt hat es auf die Liste der Modemetropolen gebracht. Der europäische Markt ist sehr interessiert daran, was hier geschieht. Ich hoffe, im Sog dieses Interesses nach Übersee expandieren zu können.“
Erfolg hat Mothobi bereits, zum Reichtum ist es vielleicht gar nicht mehr so weit.

Investor-Info

Südafrika
Land und Börse

Südafrika ist ein ethnisch sehr gemischtes Land. Bis 1990 galt das Apartheid­system, das die schwarze Bevölkerungsmehrheit unterdrückte. Die Parlamentswahlen von 1994 brachten erstmals freie Wahlen. Die sozialen Unterschiede sind immer noch groß, Schwarze werden meist weitaus schlechter bezahlt als Weiße. Südafrika ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Das Land ist reich an Bodenschätzen. Nach dem Ende des Apartheidregimes wurden alte Strukturen aufgebrochen, heute funktionieren die Institutionen zuverlässig, der Kapitalmarkt ist hoch entwickelt, die Wirtschaftsstruktur breit gefächert. Dies spiegelt sich auch an der Börse wider. In den vergangenen fünf Jahren stieg der JSE-40-Index um fast 150 Prozent. Dennoch sind weitere Strukturreformen nötig. Bemerkenswert: Seit 2003 ist die Bevölkerung von 46 auf fast 52 Millionen Einwohner gestiegen.

Wer auf einen weiteren Aufschwung am Kap setzen will, kann dies über ein Indexzertifikat bewerkstelligen (z. B. ISIN: NL 0000210144). Allerdings gibt es keine währungsgesicherten Produkte, sodass eine anhaltende Schwäche des Rand eine mögliche Rendite mindern kann.

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