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06.09.2014 12:16:31

Steinmeier drängt in Afghanistan zur Regierungsbildung

   Von Stefan Lange

   KABUL--Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat die politische Elite Afghanistans eindringlich zu einer schnellen Regierungsbildung aufgefordert. Bei einem Überraschungsbesuch in Kabul appellierte der SPD-Politiker nach Angaben aus Delegationskreisen an die beiden rivalisierenden Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und Aschraf Ghani, nun schnell auf eine Einigung hinzuarbeiten. Es sei nicht mehr viel Zeit. Vor Journalisten sagte Steinmeier nach den Gesprächen mit den beiden Politikern, man sei "hier in einer kritischen Situation".

   Steinmeier sprach in Kabul zunächst mit Abdullah, anschließend mit Ghani. Aus Delegationskreisen verlautete, die Gespräche seien ausführlich, aber auch schwierig gewesen. Abdullah und Ghani machten demnach deutlich, dass für die weitere Entwicklung die Glaubwürdigkeit des Wahlprüfungsprozesses von großer Bedeutung sei. Die Verhandlungen zwischen beiden Seiten über eine mögliche Bildung einer Regierung der nationalen Einheit hätten "manche Fortschritte gemacht", es gebe aber noch politisch schwierige offene Fragen, die nicht geklärt seien. Besonders die Form der Veröffentlichung der Ergebnisse der Wahlüberprüfung sei sehr wichtig.

   In Afghanistan gibt es seit Monaten ein Machtvakuum. Die konkurrierenden Kandidaten Aschraf Ghani und Abdullah Abdullah erkennen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht an und werfen sich gegenseitig Täuschung vor. Abdullah war aus dem ersten Wahlgang im April als Sieger hervorgegangen. Nach ersten Ergebnissen der folgenden Stichwahl Mitte Juni lag Ghani in Führung. Unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry einigten sich beide Seiten schließlich auf eine komplette Neuauszählung der Stimmzettel und sagten zu, das Ergebnis zu respektieren und eine Einheitsregierung zu bilden. Die Auszählung ist immer noch nicht abgeschlossen. Der scheidende Präsident Hamid Karsai hatte die Vereidigung seines Nachfolgers ursprünglich für den 2. September angesetzt.

   Steinmeier erklärte, es komme nun darauf an, dass der Wahlprüfungsprozess zu Ende gebracht werde. "Ich spüre, dass noch viele Hürden vor der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit bestehen", sagte Steinmeier vor Journalisten. Diese Hürden seien aus seiner Sicht nicht unüberwindbar, dies verlange aber die Bereitschaft zum Kompromiss. Steinmeier dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich Präsident Karsai für dessen Vermittlung im Streit zwischen seinen beiden potenziellen Nachfolgern.

   Steinmeier sagte, dies sei "ein Augenblick der Wahrheit für Afghanistan, bei dem viel auf dem Spiel stehe. Der Minister sprach von einer ernsten Lage und "denkbar schwierigen Rahmenbedingungen". Es komme nun auf die politische Elite in Afghanistan insgesamt an, damit eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden könne.

   Deutschland habe viel investiert in die Entwicklung Afghanistans, mahnte Steinmeier die afghanischen Verantwortlichen. Dies dürfe nicht ruiniert werden durch eine Nichteinigung der beiden Kandidaten auf das weitere Verfahren.

   Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu, die Bundesregierung unterstütze den Überprüfungsprozess sowohl politisch als auch personell. Es seien bislang 64 deutsche Wahlbeobachter zum Einsatz gekommen. Dies ist den Angaben zufolge nach den USA das größte nationale Kontingent. Parallel dazu habe sich die Bundesregierung um einen substanziellen europäischen Beitrag zur internationalen Beobachtung bemüht, hieß es. Die EU stellt knapp 100 Wahlbeobachter.

   Das Machtvakuum durch den Streit der Kandidaten hat massive Folgen, unter anderem für die internationale ISAF-Militärmission, die eigentlich zum Jahresende auslaufen soll. Rund 49.000 ausländische Soldaten aus 40 Staaten sind immer noch am Hindukusch im Einsatz, der 2001 begann.

   Geplant ist, den Großeinsatz mit der Mission "Resolute Support" abzulösen. Sie soll dafür sorgen, dass das Land nicht wieder in den Terror der alten Zeiten zurückfällt. Im Rahmen der Mission soll die afghanische Armee für mindestens weitere zwei Jahre trainiert werden. Immerhin 12.000 ausländische Soldaten sind dafür im Gespräch.

   Derweil machen sich die radikalen Taliban wieder im Land breit. Außerdem hat das Land mit massiven Finanzproblemen zu kämpfen. Die Regierung ist offenbar schon bald nicht mehr in der Lage, ihre Beamten zu bezahlen.

   Steinmeier traf am Samstagmorgen in der afghanischen Hauptstadt ein. Noch am Abend ist die Weiterreise nach Indien geplant.

   Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com

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