13.02.2017 20:39:42
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Steinbrück: Erst 2009 von umstrittenen "Cum/Ex"-Geschäften erfahren
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat nach eigener Aussage erst im Mai 2009 von den zweifelhaften "Cum/Ex"-Dividendengeschäften erfahren, durch die dem Fiskus bis 2012 vermutlich mehrere Milliarden an Steuereinnahmen entgingen. "Das erste Mal, dass ich diese Mitteilung aus dem Haus bekommen habe, war Mitte Mai 2009", sagte Steinbrück bei seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss des Bundestages zu dem Thema. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Herbst 2009 habe ihn keine weitere Vorlage zu den umstrittenen Aktiendeals erreicht.
Diese Geschäfte waren Steuergestaltungen, durch die Banken und Anlegern zuvor gar nicht gezahlte Steuern erstattet wurden. Durch Leerverkäufe von Aktien um den Dividendenstichtag herum ("Cum/Ex") kam es zu einer doppelten Ausstellung von Dividendenbescheinigungen und in der Folge zu einer mehrfachen Erstattung tatsächlich nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuern.
Steinbrück sagte, nach einem entsprechenden Vermerk, in dem allerdings nicht ausdrücklich der Begriff "Cum/Ex" vorgekommen sei, habe er in dem Ministerium um eine Stellungnahme gebeten, worauf es zu dem Vorschlag eines radikalen Systemwechsels gekommen sei. Bei zuvor getroffenen Regelungen zu dem Komplex im Jahressteuergesetz 2007 habe er persönlich aber keine Rolle gespielt, betonte Steinbrück auf die Fragen der Abgeordneten. "Wie könnte ich - davon habe ich nichts gewusst." Mit diesem Jahressteuergesetz sei er persönlich "steuerrechtlich und fachlich nicht beschäftigt" gewesen.
Die Banken hätten aber spätestens seit diesem Gesetz wissen müssen, "dass man ein Mal gezahlte Steuern nicht zwei Mal erstattet bekommen kann und sie sich kriminell verhalten", betonte der SPD-Politiker und sprach von "Netzwerken" und einem "Karussell" zum Nachteil des Staates. "Ich habe die große Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaften tüchtig genug sind, um die Täter vor Gericht zu bringen", erklärte Steinbrück.
Schäuble sagt am Donnerstag aus Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick übte nach Steinbrücks Anhörung aber Kritik an dessen Aussage. "Typisch Steinbrück - alle anderen haben etwas falsch gemacht, nur er nicht", sagte er zu Journalisten. Jedoch sei aus den Akten bekannt, dass "schon 2007 alle Fakten vorhanden" gewesen seien und nicht erst 2009. "Das ist seine Verantwortung", meinte Schick. "Da kann er sich nicht herausreden."
Der Ausschuss will diese Woche seine Zeugenbefragungen beenden. Zum Abschluss soll am Donnerstag Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aussagen. Der SPD-Finanzpolitiker Andreas Schwarz hatte Dow Jones Newswires bereits nach einer vorherigen Sitzung gesagt, die wichtigste Erkenntnis der bisherigen Arbeit des Untersuchungsausschusses sei es, dass diese Geschäfte "nur im Netzwerk" möglich gewesen seien. Seinen offiziellen Abschlussbericht will der Ausschuss bis zum Sommer vorlegen.
Seit 2012 sind "Cum/Ex"-Geschäfte als besonderer Fall von Dividendenstripping wegen einer Gesetzesänderung zwar nicht mehr möglich, im Mittelpunkt der Untersuchungen des Ausschusses steht aber nun die Frage, welche konkreten Abläufe hinter den umstrittenen Geschäften standen, und ob rechtzeitig Maßnahmen ergriffen wurden.
In dem Zusammenhang untersuchen die Parlamentarier auch so genannte "Cum/Cum"-Geschäfte, in deren Mittelpunkt eine ungerechtfertigte Erstattung von Kapitalertragsteuererstattungen um den Dividendenstichtag mittels Wertpapierleihen steht. Schäuble hat gegen diese Geschäfte inzwischen eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer nur noch möglich ist, wenn die Aktie für mindestens 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag gehalten wird. Einige Experten halten dies aber für nicht weitgehend genug.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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February 13, 2017 14:09 ET (19:09 GMT)
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