11.04.2013 19:50:31
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SPD-Finanzsprecher: In Zypern Zweifel, dass Finanzhilfe ausreicht
Von Andreas Kißler
Bei Gesprächen des Bundestagsfinanzausschusses auf Zypern sind Zweifel aufgekommen, ob die vereinbarten internationalen Finanzhilfen langfristig ausreichen. Das sagte der SPD-Finanzexperte Lothar Binding, der die Delegationsreise der Abgeordneten auf die Mittelmeerinsel leitet, dem Wall Street Journal Deutschland in einem Telefonat aus Nikosia.
Dort führte die Gruppe nach seinen Angaben Gespräche im Finanzministerium, bei der Zentralbank und mit dem Finanzausschuss des zyprischen Parlaments. Binding sagte, sein Eindruck sei gewesen, dass die nun vereinbarten zehn Milliarden Euro nach Überzeugung der Gesprächspartner wohl nicht die letzten Finanzhilfen an Zypern bleiben würden. "Es war Konsens, dass das wohl langfristig nicht reichen wird", betonte der finanzpolitische Sprecher der Sozialdemokraten.
Zyperns Finanzbedarf ist nach den neuesten, am Mittwoch bekannt gewordenen Unterlagen viel höher als vorher veranschlagt. Bis Ende 2016 sind nun 23 Milliarden Euro statt der ursprünglich geschätzten 17 Milliarden Euro nötig. Das geht aus einem internen Entwurf von Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission hervor, in den das Wall Street Journal Einblick hatte.
Zypern wird laut dem Entwurf insgesamt 13 Milliarden Euro aufbringen müssen. Zyperns internationale Gläubiger, die Eurozone und der Internationale Währungsfonds (IWF), sollen die restlichen 10 Milliarden Euro beisteuern.
Der Bundestag wird dem Hilfsprogramm für Zypern kommende Woche nach Überzeugung des Unions-Budgetexperten Norbert Barthle trotz des höheren Finanzbedarfs zustimmen. "Ich gehe davon aus, dass der Bundestag mit breiter Mehrheit das Programm unterstützen wird", sagte er dem Wall Street Journal Deutschland in Berlin. "Das wäre ein wichtiges Signal nach Europa." Der CDU-Politiker betonte, er rechne aber auch "fest mit einer eigenen Mehrheit".
Barthle sagte, die nun im Bundestag vorliegende Fassung des so genannten Memorandum of Understanding spiegele nach erster Durchsicht den politischen Kompromiss zwischen der Troika und Zypern wider. "Der größere Finanzbedarf des Landes geht vor allem auf eine schwächere Wachstumseinschätzung zurück", betonte er. Das Programmvolumen bleibe aber wie vorgesehen bei 9 Milliarden Euro durch den Euro-Rettungsfonds ESM und 1 Milliarde Euro durch den IWF.
Binding ließ eine Zustimmung seiner Fraktion zu dem Paket offen, betonte aber die europäische Verantwortung. "Das muss ich zu Hause erst einmal vortragen und diskutieren, wobei klar ist, dass natürlich europäische Solidarität eine große Rolle spielt", sagte er. Auch müssten die Zahlen noch geprüft werden.
Als "Kernbotschaft" der bisherigen Gespräche bezeichnete der SPD-Politiker Forderungen von zyprischer Seite nach Gleichbehandlung bei der Bankenhilfe. "Die Grunderwartung ist schon, dass Europa den Banken hier unter die Arme greift, wie Europa auch in allen anderen Fällen den Banken unter die Arme gegriffen hat." Deshalb herrsche Unzufriedenheit mit dem Memorandum of Understanding, "weil es im Vergleich zu allen anderen eine Sonderregelung für Zypern vorsieht."
Das Geld, das Zypern aufbringt, soll vor allem aus dem Großumbau seiner Banken stammen sowie aus den Beiträgen wohlhabender Sparkunden, die an den Kosten beteiligt werden ("Bail-In"). Zudem sind Privatisierungen, der Verkauf von Goldreserven und höhere Steuern geplant.
Andere Vertreter der Bundestags-Opposition äußerten sich ebenfalls zurückhaltend und kritisch. "Der Finanzbedarf Zyperns ist wohl gerade aufgrund der zwischenzeitlichen Unsicherheit um das Paket gestiegen", sagte die Grünen-Budgetexpertin Priska Hinz. "Die Gold- und Privatisierungserlöse hören sich zunächst sehr hoch an", monierte sie. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick bezeichnete es als "problematisch", dass zahlreiche Steuerregelungen, die Zypern für Steuertricks interessant machten, offenbar in Kraft bleiben dürften.
"Außerdem fehlt eine wirtschaftspolitische Perspektive für die Insel", erklärte Schick, der ebenfalls der Delegation des Finanzausschusses angehört, die sich derzeit zu Gesprächen auf der Mittelmeerinsel aufhält. "Ohne ein europäisches Investitionsprogramm, das die Rezession im Euroraum überwindet, werden die Zahlen für Zypern sich wie in Griechenland als zu optimistisch erweisen," warnte Schick.
Am Freitag wollen die europäischen Finanzminister bei einem Treffen in Irland über das Hilfspaket beraten. Weil Zyperns Bankensektor schrumpfen wird, werden die Eurozone und der IWF weniger Geld für die Rekapitalisierung der Banken aufwenden müssen. Aber der Kollaps der Finanzbranche auf Zypern hat die Wirtschaft des Landes stärker in die Rezession gedrückt als gedacht. Die Regierung des Landes muss sich deshalb auf niedrigere Einnahmen einstellen und einen größeren Teil der ausländischen Finanzhilfen nutzen, um Haushaltslöcher zu stopfen.
- Mitarbeit: Matina Stevis
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@dowjones.com
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April 11, 2013 13:19 ET (17:19 GMT)
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