11.10.2015 22:12:46
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Sozialdemokraten können in Wien trotz Verlusten weiterregieren
WIEN (AFP)--Die österreichischen Sozialdemokraten haben ihre Bastion verteidigt: Bei der Landtagswahl in Wien wurde die SPÖ von Bürgermeister Michael Häupl am Sonntag laut dem vorläufigen Endergebnis mit 39,4 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Zwar musste die SPÖ Verluste hinnehmen, aber das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Rechtspopulisten blieb trotz eines Rekordergebnisses der Freiheitlichen Partei aus: Die FPÖ, die im Wahlkampf Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht hatte, erzielte 32,3 Prozent.
Die SPÖ verlor laut dem vorläufigen Endergebnis, das noch nicht die Briefwahlstimmen einschloss, 4,9 Prozentpunkte im Vergleich zur Wiener Landtagswahl 2010. Dennoch konnte sie die FPÖ, die mit ihrem Parteivorsitzenden Karl-Heinz Strache als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen war, abhängen. Diese verbuchte einen Zuwachs von 6,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2010.
Die auf Landesebene gemeinsam mit der SPÖ regierenden Grünen kamen laut dem vorläufigen Ergebnis auf 11,1 Prozent - 1,5 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Damit überholten die Grünen die konservative Volkspartei (ÖVP), die auf Bundesebene mit der SPÖ regiert: Sie rutschte laut dem vorläufigen Ergebnis erstmals unter die Zehn-Prozent-Marke und landete mit 8,7 Prozent auf Platz vier. Die neu gegründete liberale Partei Neo erzielte den Angaben zufolge 6,0 Prozent der Stimmen.
Umfragen vor der Wahl hatten einen äußerst knappen Abstand zwischen SPÖ und FPÖ vorausgesagt, sogar ein Wahlsieg der Freiheitlichen schien möglich. Der Wahlkampf war auch ein persönliches Duell zwischen dem 66 Jahre alte Häupl, der sich volkstümlich gibt, und dem 46 Jahre alten sportlicher wirkenden Strache.
Der FPÖ-Chef zeigte sich enttäuscht davon, dass der Ausgang weniger knapp war als erwartet. Er verwies zugleich darauf, dass die SPÖ das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte erzielt habe. Sein Ziel, Bürgermeister zu werden, habe er nicht erreicht, aber er sei ihm ein Stück näher gekommen.
Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einem "tollen Ergebnis" für Häupl. "Anständigkeit zahlt sich aus", sagte Faymann mit Blick auf die Flüchtlingskrise.
Die 1,8 Millionen Einwohner zählende österreichische Hauptstadt wird auch als "rotes Wien" bezeichnet, weil die Sozialdemokraten in den 20er und Anfang der 30er Jahre die Kommunalpolitik prägten und seit 1945 ununterbrochen an der Spitze stehen. 2010 musste die SPÖ den Verlust der absoluten Mehrheit hinnehmen. Häupl bildete daraufhin die erste rot-grüne Landesregierung in Österreich gebildet. Der seit 21 Jahren amtierende Bürgermeister könnte diese Koalition nun fortsetzen.
Der Urnengang am Sonntag galt angesichts der Flüchtlingskrise als Stimmungstest für ganz Österreich. Seit Anfang September kamen 200.000 Flüchtlinge ins Land. Die meisten von ihnen reisten zwar nach Deutschland oder Skandinavien weiter. Aber die 8,5 Millionen Einwohner zählende Alpenrepublik rechnet selbst in diesem Jahr mit insgesamt 85.000 Asylanträgen und ist damit eines der EU-Länder mit der höchsten Asylbewerberzahl pro Einwohner.
Strache fordert, dass Österreich wie das Nachbarland Ungarn mit Zäunen die Grenzen für Flüchtlinge schließt. Der Rechtspopulist gibt sich jedoch inzwischen moderater als in früheren Kampagnen, seit er vor zehn Jahren den FPÖ-Vorsitz übernahm. Islamfeindliche Töne waren von ihm zuletzt nicht mehr zu hören. Außerdem versuchte er mit traditionellen sozialdemokratischen Themen wie Armut enttäuschte linke Wähler zu überzeugen.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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October 11, 2015 15:42 ET (19:42 GMT)- - 03 42 PM EDT 10-11-15
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