Rede an die Nation 08.11.2020 21:10:00

Sieg bei US-Wahl: Joe Biden will gespaltenes Land einen - Corona-Expertenrat mit Doppelspitze - Trump twittert erneut Betrugsvorwürfe und geht golfen

Sieg bei US-Wahl: Joe Biden will gespaltenes Land einen - Corona-Expertenrat mit Doppelspitze - Trump twittert erneut Betrugsvorwürfe und geht golfen

"Ich verspreche, ein Präsident zu sein, der danach strebt, nicht zu spalten, sondern zu einen", sagte Biden am Samstagabend (Ortszeit) in seiner Siegesrede in seinem Wohnort Wilmington im Bundesstaat Delaware. Biden sagte, die Amerikaner hätten ihm mit ihrem Votum "einen großen Sieg" beschert. Das sei die Ehre seines Lebens. Seine Regierung werde die "Seele Amerikas" und den Respekt für die USA auf der Welt wieder herstellen.

An die Anhänger von Amtsinhaber Donald Trump appellierte er, ihm eine Chance zu geben, um gemeinsam für ein besseres Amerika zu arbeiten. Er sei als Demokrat gewählt worden, aber er werde der Präsident des ganzen Landes sein und "genauso hart für alle arbeiten, die mich nicht gewählt haben", versprach Biden am Samstagabend (Ortszeit) in seiner Siegesrede. "Es ist Zeit, die harsche Rhetorik beiseite zu legen", forderte Biden. "Geben wir uns gegenseitig eine Chance", sagte er.

"Wir müssen aufhören, unsere Gegner als Feinde zu sehen", sagte Biden. "Sie sind nicht unsere Feinde, sie sind Amerikaner", sagte er weiter. Biden war am Samstag von US-Medien aufgrund von Prognosen zum Sieger der Wahl vom Dienstag erklärt worden.

Biden: Lasst uns die 'düstere Ära der Dämonisierung' beenden

Joe Biden hat die Amerikaner zu einem Neubeginn ermuntert. "Lasst uns diese düstere Ära der Dämonisierung hier und jetzt zu Ende gehen lassen", sagte Biden. Er rief zu überparteilicher Zusammenarbeit auf. Die Wähler verlangten, dass Republikaner und Demokraten in ihrem Interesse kooperierten, sagte Biden.

"Wir haben die Chance, die Verzweiflung zu besiegen, eine Nation des Wohlstands und Ziele aufzubauen. Wir können das schaffen", sagte Biden etwas später in seiner Rede. Die Amerikaner hätten ihm das Mandat gegeben, den Kampf gegen das Coronavirus zu führen, für Gerechtigkeit zu sorgen und strukturellen Rassismus auszurotten. "Der Kampf, den Anstand wieder herzustellen, die Demokratie zu verteidigen und jedem in diesem Land eine faire Chance zu geben."

Biden will nicht nur das Land heilen, sondern auch die Beziehungen zu Verbündeten in aller Welt kitten und die USA in internationale Abkommen zurückführen. Zum Beispiel hat er eine Rückkehr der USA ins Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) will er - anders als Trump - weiter zusammenarbeiten.

Harris: Ihr habt einen neuen Tag für Amerika eingeleitet

Die amerikanischen Wähler haben nach Ansicht der gewählten US-Vizepräsidentin Kamala Harris eine Wende in den Vereinigten Staaten eingeleitet. "Als unsere Demokratie selbst auf dem Wahlzettel stand, die Seele Amerikas auf dem Spiel stand und die Welt zuschaute, habt ihr einen neuen Tag für Amerika eingeläutet", sagte Harris am Samstagabend (Ortszeit) bei ihrer Siegesrede in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Die Amerikaner hätten sich mit ihrer Wahl für Joe Biden für Hoffnung, Einheit, Wissenschaft und Wahrheit entschieden, sagte Harris. Der gewählte Präsident sei ein "Heiler", jemand, der Amerika einen könne.

Die 56-Jährige würde die erste Frau und Schwarze im Vizepräsidentenamt. Harris sagte: "Auch wenn ich die erste Frau in diesem Amt sein mag, werde ich nicht die letzte sein. Denn jedes kleine Mädchen, das heute Nacht zuschaut, sieht, dass dies ein Land der Möglichkeiten ist."

Kampf gegen Pandemie: Bidens Corona-Expertenrat soll von Doppelspitze geleitet werden

Nach seinem Sieg bei der US-Wahl sind die ersten Personalentscheidungen von Joe Biden bekannt geworden. Der Expertenrat zur Eindämmung der Corona-Pandemie soll eine Doppelspitze bekommen, erklärte Biden-Sprecherin Kate Bedingfield am Sonntag im Sender NBC News. Bestehen soll sie aus Vivek Murthy, der zwischen 2014 bis 2017 oberster Gesundheitsbeamter der US-Regierung und von Barack Obama ernannt worden war, und dem früheren Leiter der US-Arzneimittelbehörde FDA, David Kessler. Beide hätten Bidens Team seit März in der Pandemie beraten, sagte Bedingfield.

Biden hatte in seiner Siegesrede am Samstag angekündigt, schon am Montag seine Corona-Arbeitsgruppe vorstellen zu wollen. Zudem versprach er, im Kampf gegen das Virus keine Mühe zu scheuen. Die "führenden Wissenschaftler und Experten" würden ihm helfen, einen "Aktionsplan" zu entwickeln, der schon ab dem Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar umgesetzt werden könne, sagte Biden.

Die Pandemie ist in den USA weiter außer Kontrolle. Die USA verzeichneten am Tag von Bidens Sieg einen neuen Höchstwert an täglichen Neuinfektionen: Nach Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore wurden am Samstag 126 742 Neuansteckungen registriert. Der Wert lag am dritten Tag in Folge bei mehr als 120 000. In den USA mit ihren 330 Millionen Einwohnern sind seit Beginn der Pandemie mehr als 9,8 Million Infektionen mit dem Coronavirus nachgewiesen worden. Mehr als 237 000 Menschen kamen ums Leben.

Trumps Sprecherin sieht Freudenfeiern für Biden als Corona-Risiko

Kayleigh McEnany, die Sprecherin des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, hat eine dicht gedrängte Siegesfeier von Anhängern Bidens als Corona-Infektionsrisiko bezeichnet. Auf ihrem privaten Account verbreitete sie bei Twitter ein Video der jubelnden Menschenmenge vor dem Weißen Haus in Washington und schrieb: "Wo ist Joe Biden und ruft dazu auf, die massiven Super-Spreader-Events, die in seinem Namen abgehalten werden, zu beenden?"

Das Video, am Samstag ursprünglich von der CNN-Korrespondentin Caitlan Collins veröffentlicht, zeigte hunderte jubelnde Menschen an der Nordseite des Weißen Hauses. Die allermeisten Anwesenden dort trugen einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur zufolge Masken, um das Corona-Infektionsrisiko zu reduzieren.

Der Demokrat Joe Biden hatte Trump häufig dafür kritisiert, trotz der Pandemie große Veranstaltungen abzuhalten, bei denen viele Anwesende keine Masken trugen. Selbst im Weißen Haus, also in geschlossenen Räumen, gab es mehrere Auftritte mit zahlreichen Gästen. Im Sommer hatte es in den USA Massenproteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegeben. Vielen Experten zufolge führten die Demonstrationen im Freien nicht zu einem signifikanten Anstieg der Infektionen.

Trump ereilt Nachricht von Niederlage beim Golf

US-Präsident Donald Trump hat die Nachricht seiner Wahlniederlage bei einem Besuch seines Golfclubs in Virgina ereilt - seinem ersten Ausflug aus dem Weißen Haus seit der Wahl. Trump war am Samstagvormittag vom Weißen Haus aus zu seinem Golfclub gefahren und dort um 10.39 Uhr (Ortszeit/16.39 MEZ) angekommen, wie Reporter aus dem Begleittross des Präsidenten berichteten. Kurz vor 11.30 Uhr meldeten US-Medien übereinstimmend, dass Trumps Herausforderer Joe Biden die Wahl gewonnen habe. Den Berichten zufolge hielt in der Nähe des Golfclubs eine Person ein Schild mit der Aufschrift "Good Riddance" (in etwa: Auf Nimmerwiedersehen) hoch.

Vor der Rückfahrt zum Weißen Haus berichteten Reporter am frühen Samstagnachmittag, vor der Einfahrt zu dem Golfclub hätten sich Dutzende Unterstützer sowohl Bidens als auch Trumps eingefunden. Auf Schilden von Trump-Gegnern habe etwa gestanden: "Du bist gefeuert" und "Pack Deinen Scheiß und geh". Fahrzeuge mit Trump-Flaggen seien hin- und hergefahren und hätten gehupt. Aus einem der Fahrzeuge habe jemand per Lautsprecher gerufen: "Die Medien lügen über alles." Die Reporter aus dem Begleittross berichteten, der Konvoi mit dem Präsidenten sei um 14.30 Uhr vom Golfclub aus aufgebrochen.

Trump akzeptiert Niederlage nicht

In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser entschieden wird - normalerweise noch in der Wahlnacht. Die amtlichen Ergebnisse kommen teils erst viel später. Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner dieses Jahr aber per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hinzog. Der US-Präsident wird nur indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandidat die Mehrheit der 538 Wahlleute.

Bidens Erfolg im Schlüsselstaat Pennsylvania besiegelte am Samstag Trumps Abwahl nach einer Amtszeit als Präsident. Biden kam am Ende einer tagelangen Zitterpartie über die Marke von 270 Wahlleuten, die für einen Erfolg erforderlich waren. Trump wiederum erkannte Bidens Sieg nicht an und erklärte: "Die einfache Tatsache ist, dass diese Wahl noch lange nicht vorbei ist."

Trump stellt sich als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne dafür stichhaltige Beweise vorzulegen. Er sieht sich als legitimer Sieger der Wahl. Mit Hilfe seiner Anwälte will Trump seine Niederlage noch abwenden. Die Erfolgsaussichten gelten aber als extrem gering. Anders als üblich verzichtete Trump daher auch darauf, den Gewinner anzurufen und seine Niederlage einzugestehen.

Trump sieht sich weiter im Machtkampf - und geht golfen

Trotz seiner Wahlniederlage sieht sich US-Präsident Donald Trump noch immer im Machtkampf mit seinem Herausforderer Joe Biden. Nach der Siegesrede Bidens war der Mann im Weißen Haus zunächst still geblieben. Doch am Sonntag meldete er sich bei Twitter zurück und und ließ erkennen, dass er sich weiter als Opfer systematischen Wahlbetrugs sieht. In den von ihm abgesetzten Tweets schien Trump konservative Unterstützer zu zitieren, die seine Behauptungen stützen sollen. Der 74-Jährige bleibt seit Tagen stichhaltige Beweise schuldig.

US-Medien berichten unterdessen davon, dass Trumps Umfeld versucht, auf den Präsidenten einzuwirken. Besonders seinen Familienmitgliedern wird großer Einfluss auf Trump nachgesagt. Nach Darstellung des TV-Senders CNN legte First Lady Melania ihrem Mann nahe, seine Niederlage zu akzeptieren. Auch Schwiegersohn Jared Kushner soll mit seinem Schwiegervater über das Thema geredet haben. Dem Nachrichtenportal "Axios" zufolge riet er ihm, den Rechtsweg weiter zu verfolgen. Kushner und seine Ehefrau Ivanka Trump sind offiziell Berater des Präsidenten. "Axios" zitierte eine anonyme Quelle damit, dass "unangenehme Gespräche" im Dunstkreis Trumps stattfänden und sein engster Zirkel den Wahlsieg abgeschrieben habe - doch Trump weiter darauf bestehe, gewonnen zu haben.

Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani sagte Fox News indessen, "zu diesem Zeitpunkt" wäre es falsch für den Präsidenten, eine Niederlage einzuräumen. Es gebe Beweise, dass die Wahl in mindestens drei oder vier und womöglich sogar in zehn Bundesstaaten "gestohlen" wurde. Giuliani kündigte mehrere Klagen an. Giuliani nannte es "ziemlich wahrscheinlich", dass am Ende der Supreme Court entscheiden werde. Senator Ted Cruz meinte, er glaube daran, dass es für Trump "einen Weg zum Sieg" gebe.

Seit seiner Wahlniederlage war Trump nicht öffentlich aufgetreten, fuhr allerdings am Sonntag in seinen Golfclub im Bundesstaat Virginia.

In den USA ist es selten, dass ein Präsident nach nur einer Amtszeit abgewählt wird. Zuletzt war das bei George Bush senior der Fall, der die Wahl 1992 verlor. Einfach dürfte es für Biden als Präsident nicht werden. "Die Wahlergebnisse zeigen auf jeder Ebene, dass das Land nach wie vor tief und bitter gespalten ist", erklärte Ex-Präsident Obama, der bei allen Amerikanern für die Unterstützung Bidens warb. Mehr als 70 Millionen Wähler hatten Trump ihre Stimme gegeben.

Die Auszählung der Stimmen dauerte unterdessen in mehreren Bundesstaaten noch an. In Georgia, Nevada, Arizona, North Carolina und Alaska gab es noch keinen Gewinner. Die ersten drei Staaten dürften relativ sicher an Biden gehen, die letzteren an Trump.

Senator Graham: Trump sollte sich nicht geschlagen geben

Der einflussreiche konservative US-Senator Lindsey Graham hat dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump im Kampf gegen unbelegte Vorwürfe zu systematischem Betrug bei der US-Wahl den Rücken gestärkt. "Präsident Trump sollte sich nicht geschlagen geben", sagte Graham am Sonntag im Interview mit dem TV-Sender Fox.

"Dies ist eine umstrittene Wahl. Die Medien entscheiden nicht, wer Präsident wird. Wenn sie dies tun würden, gäbe es niemals einen republikanischen Präsidenten", sagte Graham weiter. Trump müsse vor Gericht ziehen. Der Senator, der als Trump-Vertrauter gilt, führte den Fall von Personen an, die im Schlüsselstaat Pennsylvania angeblich gewählt hätten, obwohl sie bereits tot gewesen seien. Biden führt in dem Bundesstaat vor Ende der Auszählung mit 40 000 Stimmen.

Trump-Wahlkampfteam sammelt nach Niederlage weiter Spenden

Trotz der Wahlniederlage von US-Präsident Donald Trump ruft das Wahlkampfteam des Republikaners Anhänger weiter zu Spenden für Prozesse gegen die Ergebnisse auf. Aus dem Kleingedruckten der Spendenaufrufe geht allerdings hervor, dass mit den Geldern auch Wahlkampfschulden abbezahlt werden sollen. In einer E-Mail des Wahlkampfteams vom Samstagnachmittag hieß es: "Der eklatante Wahlbetrug in korrupten, von Demokraten regierten Städten ist beispiellos. Die Linke hat bewiesen, dass es nichts gibt, was sie nicht tun würde, um dem amerikanischen Volk die Macht zu entreißen."

Weiter steht in der im Namen von Donald Trump verschickten Mail: "Wenn sie hinter mir her sind, sind sie in Wirklichkeit hinter Euch her und allem, wofür Ihr steht. Diese Wahl ist noch nicht vorbei. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und ich muss wissen, dass ich auf Dich zählen kann." Beim Klick auf einen Link in der Mail wird der Nutzer auf eine Internetseite geleitet, auf der es heißt, Trump stelle eine "Task Force" zur Verteidigung der Wahl zusammen.

Auf der Seite werden Spenden zwischen 5 Dollar (4,21 Euro) und 2800 Dollar vorgeschlagen, oder aber ein frei wählbarer Betrag. Wer nach unten scrollt, findet dort im Kleingedruckten die Information, dass 60 Prozent der Beiträge auf ein Konto fließen, mit dem Wahlkampfschulden abbezahlt werden. Trump hat bei der Wahl Betrug bemängelt, wofür es bislang keine Belege gibt. Er hat angekündigt, juristisch gegen Bidens Wahlsieg vorzugehen.

Demokrat Sanders: Es ist egal, ob Trump seine Niederlage einräumt

US-Senator Bernie Sanders hat die Wahl von Joe Biden als Sieg der Demokratie bezeichnet. Ob der amtierende Präsident Donald Trump nun seine Niederlage einräume oder nicht, sei "nicht wichtig", sagte der Demokrat Sanders am Samstag dem Nachrichtensender CNN. "Joe Biden hat die Wahl gewonnen und wird ins Amt eingeführt werden", sagte Sanders.

Sanders, der sich in diesem Jahr auch um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten beworben hatte, gratulierte Biden und Kamala Harris zum Wahlsieg. Er wünsche ihnen "in diesem unglaublich schwierigen Moment der amerikanischen Geschichte das Beste" bei ihren Bemühungen, das Land zu einen, schrieb der linke Senator am Samstag bei Twitter. Sie müssten dafür im Hinblick auf die Wirtschaft, das Soziale, den Umgang mit Minderheiten und die Umwelt ein Programm der "Gerechtigkeit" umsetzen, schrieb er. Nach seinem Ausscheiden um die Bewerbung für die Präsidentschaftskandidatur im Frühjahr unterstützte Sanders den gemäßigteren Demokraten Biden.

Murdochs "New York Post" wendet sich im Wahl-Streit von Trump ab

Die konservative Zeitung "New York Post" wendet sich im Streit über das Wahlergebnis in den USA von Präsident Donald Trump ab. In einem Artikel vom Samstag schrieben die Kommentatoren der Zeitung zwar, dass Trump viel für das Land getan habe - doch mit der Verschwörungstheorie der "gestohlenen Wahl" aufhören müsse, wenn er seine eigene Stimme nicht "marginalisieren" wolle.

Zugleich veröffentlichte die Zeitung einen ungewohnt positiven Artikel über den neu gewählten Präsidenten Joe Biden mit dem Titel "It's Joe Time" ("Es ist Zeit für Joe"). Noch vor wenigen Wochen hatte die "New York Post" einen der vernichtendsten Artikel über Joe Bidens Sohn Hunter veröffentlicht. Er basierte auf fragwürdigen Quellen und brachte dem Blatt landesweit Kritik ein.

Die "New York Post" gehört Medien-Mogul Rupert Murdoch, der auch das TV-Netzwerk Fox besitzt. Der einflussreiche Nachrichtensender Fox News gilt als "Haus und Hof"-Sender von Trump. Viele seiner Moderatoren bezeichnet der amtierende Präsident als "Freunde". Doch auch Fox-News ließ eine entschiedenere Linie gegenüber Trump erkennen und titelte: "Präsident Trump hat sich dem gewählten Präsidenten nicht geschlagen gegeben."

Kissinger: Biden wird außenpolitisch gemäßigt und bedacht vorgehen

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger rechnet damit, dass auch mit einem künftigen US-Präsidenten Joe Biden das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa nicht sofort harmonisch wird. "Es wäre ein großer Fehler anzunehmen, dass durch den möglichen Machtwechsel in Amerika all das zurückgedreht würde, was den Europäern in letzter Zeit Kopfzerbrechen bereitet hat", sagte Kissinger der "Welt am Sonntag".

Eine neue Regierung mit Biden an der Spitze werde "genau darauf schauen, welche Uneinigkeiten zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Streitigkeiten über die Methoden waren und bei welchen es um substanzielle Auseinandersetzungen ging." Harmonie könne nicht als gegeben vorausgesetzt werden. "Für Harmonie ist erhebliche Dialogbereitschaft vonnöten, sowohl in Europa als auch den Vereinigten Staaten", sagte der 97 Jahre alte Friedensnobelpreisträger.

Mit Biden sei er bei außenpolitischen Fragen häufig nicht einer Meinung gewesen, sagte der Republikaner Kissinger. Er sei aber davon überzeugt, dass der 77 Jahre alte Demokrat als Präsident "außenpolitisch gemäßigt und durchdacht" vorgehen werde.

Die "Welt am Sonntag" sprach mit Kissinger, bevor Biden am Samstagabend als Wahlsieger ausgerufen wurde.

Biden wohl mit Mehrheit im Repräsentantenhaus

In den USA wurden nicht nur ein Präsident, sondern auch die 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und rund ein Drittel der 100 Senatoren gewählt. Biden wird aller Voraussicht nach auf eine Mehrheit seiner Demokraten im Repräsentantenhaus setzen können. Bei den Wahlen zum US-Senat geht das Hoffen und Bangen für das Team Biden & Harris weiter. Zwei Senatssitze im Bundesstaat Georgia werden erst am 5. Januar in einer Stichwahl entschieden. Die Demokraten müssen beide nach bisherigem Stand für sich entscheiden, um auch in dieser zweiten Parlamentskammer auf eine Mehrheit bauen zu können.

Der Senat hat entscheidenden Einfluss, wie ein Präsident seine Agenda umsetzen kann. Er bestätigt auch hochrangige Regierungsmitarbeiter wie Minister sowie Richter am Obersten Gericht. Bei einem Amtsenthebungsverfahren spielt der Senat die Rolle eines Gerichts.

WILMINGTON (dpa-AFX)

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