01.09.2014 19:27:57

Schwäbische Zeitung: Zu Waffenlieferung in den Nordirak: Ehrlich bleiben

Ravensburg (ots) - Diskutieren darf er, entscheiden nicht. Das ist die ungute Situation, in welcher der Bundestag am Montag mit großem Ernst die Frage der Waffenlieferungen an die Kurden debattierte - genau am 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.

Die Lehren könnten unterschiedlicher nicht gezogen werden. Die einen, die wie Gregor Gysi meinen, gerade an einem solchen Tag dürfe man doch keine Waffen exportieren. Dies sei immer ein Beitrag zum Krieg. Die anderen, die an das militärische Eingreifen der Alliierten gegen Deutschland und - ganz wichtig - die anschließende Hilfe beim Wiederaufbau erinnern. Ein Erfolgsmodell.

Angela Merkel hat versucht, die Wende der deutschen Außenpolitik, die von ihrer Verteidigungsministerin forciert wurde, zu erklären. Kein Konflikt der Welt lasse sich allein militärisch lösen, aber es gebe Konflikte, bei denen man militärisch eingreifen müsse, um wieder Politik machen zu können. Man könne nicht immer warten und hoffen, dass sich andere der akuten Gefahr stellen. Das hat Deutschland jahrzehntelang getan.

Die Kultur der militärischen Zurückhaltung, die im letzten Koalitionsvertrag noch verankert war, ist jetzt dem Anspruch von Deutschlands stärkerer Rolle in der Welt gewichen. Eine Mehrheit der Bevölkerung aber fühlt sich in der Kultur der militärischen Zurückhaltung nach wie vor besser aufgehoben, ist gegen Waffenlieferungen in den Irak. Diese Mehrheit muss Merkel jetzt erst einmal vom Gegenteil überzeugen.

Die SPD, die in ihren Reihen mehr Skeptiker hat als die Union, versucht, die Waffenlieferung als einmalige Hilfsaktion herunterzuspielen. Das ist nicht ehrlich. Die Entscheidung zu Waffenlieferungen in ein Krisengebiet ist ein großer Schritt, eine grundsätzliche Neuorientierung. Dass der Bundestag dabei nur auf der Zuschauer-Bank sitzt, ist falsch. Eine solche Wende in der deutschen Außenpolitik muss - wenn schon nicht behutsam -, dann doch öffentlich nachvollziehbar gestaltet werden. Die gestrige Debatte kann da nur ein Anfang gewesen sein.

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