09.10.2015 22:42:37

Schwäbische Zeitung: Zerrüttetes Verhältnis - Leitartikel zu Seehofers Drohung einer Verfassungsklage

Ravensburg (ots) - Das ist eine ernste Koalitionskrise. Horst Seehofer droht Angela Merkel mit Verfassungsklage in Karlsruhe. Sicher, das Verhältnis Merkel-Seehofer war nie unbelastet. Doch daran, dass jetzt diese Eskalationsstufe erreicht wird, ist diesmal nicht nur der gewohnte Populismus von Seehofer schuld, sondern auch die Vorgehensweise der Kanzlerin.

Merkel hatte schon bei der Aufnahme der Flüchtlinge aus Ungarn die Länder nicht vorab informiert von ihrem Entschluss. Ein Kardinalfehler, denn sie hat diejenigen uninformiert gelassen, die es am stärksten trifft. Das vergessen Landesfürsten wie Seehofer nicht.

Im Kreise der Ministerpräsidenten ist er zwar nicht allzu beliebt, seine Solidarität gegenüber den anderen Ländern gilt als nicht sehr ausgeprägt. Doch in den vergangenen Tagen äußerten viele seiner Kollegen pures Mitgefühl für Seehofer, auch Respekt. Er hat - wie kein anderer Länderchef - die Flüchtlingskrise zu bewältigen.

Seehofer handelt auf der einen Seite entschlossen, weiß aber nicht mehr, wie es weitergehen soll. Deshalb zeigt er sich unbeeindruckt von Merkels Positionen. Die hatte bei Anne Will wissen lassen, dass sie als Vorsitzende einer christlichen Partei nicht anders handeln konnte. Seehofer, Vorsitzender der ebenso christlichen Schwesterpartei, denkt anders. Auch viele CDU-Politiker fragen bereits, ob es denn christlicher sei, die Flüchtlinge kommen zu lassen und sie dann nicht mehr versorgen zu können.

Jetzt zogen der bayerische Ministerpräsident und sein Innenminister Herrmann die Schrauben an. Die angedrohte Klage des Freistaats ist eine Form von Erpressung. Seehofer will von der Kanzlerin ein klares Signal, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind. Merkel hat dies Signal gescheut, auch um nicht erst recht einen Riesenandrang von Flüchtlingen zu verursachen, die auf den letzten Drücker Deutschland erreichen wollen. Doch sie wird das Signal geben müssen. Nicht zuletzt, weil Horst Seehofer immer mehr Politiker der Union hinter sich versammelt.

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