20.07.2015 22:32:41
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Schwäbische Zeitung: "Ein quälendes Verfahren" - Leitartikel zum NSU-Prozess
Drei von vier Pflichtverteidigern wollen ihren Job hinschmeißen, weil sie ihn angeblich nicht mehr ordnungsgemäß ausüben können. Der Vorsitzende Richter sieht das anders und lehnt eine Entbindung der Anwälte vom Pflichtmandat ab. Manfred Götzl fürchtet wohl vor allem, dass andernfalls nach 200 Verhandlungstagen das ganze Verfahren platzen könnte und neu aufgerollt werden müsste. Aber - auch diese laienhaft gestellte Frage muss erlaubt sein: Wie soll denn eine Verteidigung funktionieren, wenn die Angeklagte ihre Anwälte nicht einmal mehr grüßt? Und wie soll der blutjunge, neu berufene vierte Pflichtverteidiger effektiv arbeiten können, wenn er sich in 380000 Seiten Akten einarbeiten müsste? Die Gefahr, dass der Mammut-Prozess gegen die mutmaßlichen Helfer der Neonazi-Mörder aus verfahrenstechnischen Gründen doch platzt, ist noch einmal gestiegen.
Angewidert darf sein, wer sich in die Rolle der Angehörigen der Mordopfer versetzt. Wie sollen diese Menschen eine Justizmühle begreifen, die quälend langsam seit mehr als zwei Jahren mahlt? Wie sollen sie etwa nachvollziehen können, dass die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe, jetzt allen Ernstes eine neue Sitzordnung im Gerichtssaal beantragen kann, damit sie keinen unerwünschten Blickkontakten mehr ausgesetzt ist? Ein rechtsstaatlich einwandfreies Strafverfahren kann auch absurde Züge annehmen. Es kann zur Zumutung werden - die allenfalls zähneknirschend erträglich ist.
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