29.06.2016 16:20:46
|
Schäuble: Britischer Antrag in absehbarer Zeit wäre fair
BERLIN (Dow Jones)-- Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die britische Regierung zu einer absehbaren Entscheidung über den für den EU-Austritt nötigen Antrag gedrängt und betont, dies liege auch in Londons Interesse. Nachdem die Briten mit dem Ausgang ihres Referendums "einige Aufmerksamkeit erreicht und Unruhe gestiftet" hätten, wäre es nun "ganz fair", wenn sie in absehbarer Zeit entschieden, sagte Schäuble bei einer Podiumsdiskussion in Berlin.
An den Finanzmärkten sei ein "Chaos" nach der Brexit-Entscheidung zwar vermieden worden, aber eine nun lang andauernde Unsicherheit wäre "Gift" für die Wirtschaft, warnte der deutsche Finanzminister. "Ich glaube nicht, dass die Briten unbegrenzt Zeit haben", sagte Schäuble. "In ihrem Interesse müssen sie schnell entscheiden."
Die EU müsse nun wesentliche Fragen angehen und andere "ein bisschen zurückstellen". Man müsse den Menschen erklären, dass kein Land die Probleme der heutigen Welt wie die Migrationswelle oder die Ukraine-Krise allein lösen könne. "Europa kann die Probleme durch konkretes Handeln lösen," sagte Schäuble stattdessen. "Wir können in dieser Krise die Dinge nicht so treiben lassen."
Schaue man sich derzeit die Stimmungslage in vielen Ländern an, könne es auch zu einem "Dominoeffekt" weiterer Austritte kommen. "Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen." Europa müsse sich deshalb selber ernstnehmen, erklärte der Finanzminister in einer Debatte zu einem deutsch-französischen Journalistenpreis mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.
Schäuble will bei Stabilitätsregeln nicht nachgeben In der Debatte ging Schäuble auch auf ein Papier ein, in dem sein Ministerium laut einem Bericht in einer internen Übersicht "Initiativen nach dem UK-Referendum" auflistet - darunter laut Handelsblatt eine Zurückweisung von Haushaltsentwürfen, die nicht den EU-Defizitvorgaben entsprechen. Dieses Papier sei "lange Wochen vor dem Referendum gemacht" worden. "Deswegen gibt es dieses Papier nicht, wie darüber berichtet worden ist."
Zuvor hieß es bereits aus Schäubles Umfeld, der Finanzminister wolle in der wegen des Brexit-Referendums angespannten Lage vorerst keine weiteren Schritte für die Fortentwicklung der Eurozone anstoßen. "Jetzt steht nicht die Vertiefung der Eurozone im Vordergrund", sagte eine gut informierte Person aus dem Finanzministerium. "Die Vorschläge des Ministers werden in eine andere Richtung zielen."
Zudem wies Schäuble die Forderung Asselborns zurück, die Stabilitätskriterien für die Haushaltspolitik der einzelnen Länder nicht mehr so stark zu beachten wie bisher und sich stattdessen mehr auf soziale Aspekte zu konzentrieren. "Das ist eine Meinung, die ich entschieden nicht teile", sagte er. Mit immer mehr staatlicher Verschuldung erreiche man nicht mehr Wachstum und Arbeitsplätze, sondern das Gegenteil.
Asselborn rief zudem dazu auf, künftig "zivilisierte Beziehungen" zum Vereinigten Königreich zu unterhalten, weil dies nicht nur im Interesse der Wirtschaft, sondern auch der Jugend liege. Auch müsse man sich "Gedanken machen über das Instrument Referendum", forderte er. "Man kann ein Referendum einsetzen, wenn man über einen Bahnhof diskutiert." Gehe es um die Zukunft Europas, sei dies anders. Asselborn erwartete zudem einen länger andauernden Verhandlungsprozess.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/bam
(END) Dow Jones Newswires
June 29, 2016 10:18 ET (14:18 GMT)
Copyright (c) 2016 Dow Jones & Company, Inc.- - 10 18 AM EDT 06-29-16

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!