26.12.2012 15:36:33

RÜCKBLICK 2012: Wenn Kleinanleger zu Banken werden - Mittelstandsanleihen boomen

    REUTLINGEN (dpa-AFX) - Wenn Mittelständler Kredit brauchten, gab es bislang eigentlich nur einen Weg: Den zur langjährigen Hausbank. Doch die Banken sind bei der Kreditvergabe vorsichtiger geworden. Zahlreiche Mittelständler geben deshalb im Moment Anleihen aus - leihen sich also Geld auch bei Privatanlegern. Das Segment boomt an der Stuttgarter Börse. Doch Verbraucherschützer mahnen Anleger, das Risiko nicht zu unterschätzen.

 

    40 Millionen Euro hat sich der Schwarzwälder Maschinenbauer Rena aus Gütenbach (Schwarzwald-Baar-Kreis) vor zwei Jahren über eine Anleihe beschafft. "Wir würden diesen Weg immer wieder gehen", sagt Finanzchef Stefan Baustert. Mit dem Geld aus der Anleihe habe Rena sich in diesem Jahr von der kriselnden Solarbranche lösen und neue Geschäftsfelder mit Umwelttechnologien erschließen können.

 

    "Die Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung konnte nur durch eine bankenunabhängige Finanzierung erfolgen", betont Baustert. "Für Banken wird es aufgrund der aufsichtsrechtlichen Anforderungen insbesondere im Bereich der Eigenkapitalunterlegung immer schwieriger, Finanzierungen dieser Größenordnung im Mittelstand darzustellen", so der Finanzchef der 2.000 Mitarbeiter großen Gruppe.

 

    Im Handelssegment Bondm der Börse Stuttgart, das im Mai 2010 gegründet wurde, sind inzwischen 25 Anleihen von mittelständischen Unternehmen mit einem Gesamtvolumen von rund 1,6 Milliarden Euro gelistet. Damit ist Stuttgart der mit Abstand wichtigste Handelsplatz für Mittelstandsanleihen in Deutschland, auch wenn vor allem Frankfurt zuletzt stark aufgeholt hat.

 

    Sabine Traub von der Börse Stuttgart ist sicher, dass Anleihen für Mittelständler noch an Bedeutung gewinnen werden. Durch die strenger werdenden Eigenkapitalvorschriften werde die Kreditvergabe für Banken immer schwieriger. "Langfristig müssen Unternehmen deshalb verstärkt an den Kapitalmarkt treten."

 

    Die Reutlinger Reiff-Gruppe hat vor knapp zwei Jahren Anleihen über 30 Millionen Euro ausgegeben. Mit dem Geld hat das Familienunternehmen, das mit Reifen und Industrieprodukten handelt, vor allem die Übernahme des Konkurrenten Reifen Krupp finanziert. "Durch die Übernahme hatten wir einen großen Finanzbedarf. Gleichzeitig wollten wir uns unsere Unabhängigkeit von den Banken bewahren", sagt der kaufmännische Geschäftsführer Immanuel Kohn. Da sei die Anleihe der perfekte Weg gewesen.

 

    7,25 Prozent Zinsen pro Jahr bezahlt Reiff den Anleihe-Besitzern - soviel bekommen Anleger im Moment bei kaum einem anderen Finanzprodukt. Das macht Anleihen für Investoren attraktiv. "Viele der Anleihezeichner sind auch Kunden von uns", sagt Kohn. "Das ist schon eine besondere Form der Kundenbindung, wenn jemand nicht nur Reifen bei uns kauft, sondern uns auch sein Geld anvertraut."

 

    Doch was für die Unternehmen gut ist, muss für Privatinvestoren noch lange keine lohnende Geldanlage sein, mahnt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Das ist nichts für Kleinanleger. Gerade bei Mittelstandsanleihen wird oft der Eindruck erweckt, als sei das mit den Zinsen eine sichere Sache. Aber man muss sich klar machen: Es besteht das Risiko eines Totalverlusts." Wenn eine Firma pleitegeht, ist das Geld weg.

 

    Das gelte auch für Mittelständler, die mit ihrem guten Namen werben. "Gerade bei Mittelstandsanleihen aus der Region denken viele Anleger: Ich kenne das Unternehmen, ich kenne Leute, die da arbeiten - dann wird das schon sicher sein", sagt Nauhauser. Aber ein bekannter Name bedeute noch nicht, dass eine Firma aktuell auf wirtschaftlich soliden Füßen stehe. "Wir raten Anlegern deshalb generell dazu, die Risiken sehr breit zu streuen." Auf einzelne Anleihen sollte man nur setzen, wenn man sehr viel Geld zur Verfügung habe. Ansonsten seien Fonds die bessere Variante./mhe/DP/he

 

    --- Von Marc Herwig, dpa ---

 

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