12.02.2021 22:01:38

ROUNDUP/Regierung für Italien steht: Draghis Team sprengt die Parteigrenzen

ROM (dpa-AFX) - Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, will Italien mit einem Kabinett auf ungewöhnlich breiter Basis aus der Pandemie-Krise führen. Der 73-jährige Ökonom nahm am Freitagabend bei einem Treffen mit Staatspräsident Sergio Mattarella in Rom den Regierungsauftrag nach rund zehntägigen Parteien-Konsultationen endgültig an. Draghis Kabinett aus Politikern und Experten soll an diesem Samstagmittag (12 Uhr) vereidigt werden.

Der frühere Währungshüter stellte Minister und Ministerinnen des gesamten Parteienspektrums auf, darunter auch zentrale Namen der gescheiterten Vorgänger-Regierung, wie etwa Außenminister Luigi Di Maio und Gesundheitsminister Roberto Sperenza. Draghis neue Mannschaft wird die 67. Regierung der italienischen Republik.

Das bisherige Mitte-Links-Bündnis unter dem parteilosen Juristen Giuseppe Conte (56) war vor gut vier Wochen im Streit um den Einsatz von über 200 Milliarden Euro EU-Hilfen in der Corona-Krise geplatzt.

Der gebürtige Römer Draghi war am Freitagabend nur ganz kurz vor die Presse im Quirinalspalast getreten, dem Amtssitz Mattarellas. In aller Kürze verlas er die Liste seiner geplanten Minister. Zu einem Regierungsprogramm sagte er nichts. In den vergangenen Tagen, als er die Möglichkeiten einer Mehrheit auslotete, gab er gar keine öffentlichen Stellungnahmen ab.

Auf Draghis Ministerliste stehen fast doppelt so viele Politiker wie Experten. Die meisten Posten gingen an die Fünf-Sterne-Bewegung (4), die die stärkste Kraft im Parlament ist und zu der Di Maio gehört. Je drei Minister stellen künftig die Sozialdemokraten (PD), die konservative Forza Italia von Silvio Berlusconi und die rechte Lega von Matteo Salvini.

Matteo Renzis Splitterpartei Italia Viva, die die Regierung Contes Mitte Januar mit ihrem Austritt zu Fall gebracht hatte, hat nur einen Posten ergattert. Viele neue Experten im Team stammen aus dem Wirtschaftsbereich. Marta Cartabia, eine frühere Präsidentin des Verfassungsgerichts, soll das Justizressort führen.

Draghi hatte sich seit dem 3. Februar in Rom mit Parteienvertretern und gesellschaftlichen Gruppen getroffen. Er benötigt für seine Bestätigung nach der Ernennung auch eine Mehrheit im Zwei-Kammern-Parlament. Laut Verfassung muss sich eine Regierung innerhalb von zehn Tagen nach der Bildung in beiden Häusern vorstellen, um das Vertrauen zu erhalten.

Nur die ultrarechten Fratelli d'Italia hatten von Anfang an angekündigt, dort gegen Draghi zu stimmen. Das Verhalten der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung war allerdings lange unklar. Gründer Beppe Grillo warb dafür, den Ökonomen mit zu tragen. Dabei galt auch die Übernahme von Ministerposten als Ziel.

Bei einem Online-Votum stimmte die Partei dann am Donnerstag mehrheitlich mit Ja. Das wurde als wichtiges Signal für Draghi bewertet. Ein Parteiflügel, der als anti-elitär gilt, lehnt diesen Weg aber weiter ab. Die Fünf-Sterne-Bewegung kam bei der Wahl 2018 auf rund 30 Prozent. Deren sozialdemokratischer Koalitionspartner, die PD, stellte sich früh an Draghis Seite. Einige PD-Politiker fremdeln aber mit der Idee, rechten Kräften zu nahe zu kommen.

Lega-Chef Salvini, der im Laufe der Regierungskrise wiederholt vorgezogene Wahlen gefordert hatte, änderte seine Position. Er lobte Draghi und versprach eine "bedingungslose" Unterstützung. Auch Berlusconis Forza Italia sagte Draghi klar ihr Vertrauen zu.

Staatspräsident Mattarella hatte dem 73-Jährigen, der in Rom kein politisches Amt hat, nach dem Rücktritt Contes ein Mandat zur Bildung eines Kabinetts angeboten. Draghi hatte den Auftrag zunächst nur unter Vorbehalt angenommen. Der Staatschef forderte eine Regierung "mit hohem Profil", um Italien aus der Pandemie-Krise zu führen.

Draghi ist international als "Euro-Retter" bekannt, weil er an der Spitze der Zentralbank EZB 2012 den Euro mit Hilfe eines Machtwortes stabilisieren half.

Die Regierung Contes war die 66. in der italienischen Republik. Sie hatte ihre Arbeit im September 2019 aufgenommen. Mitte Januar hatte Renzi das Bündnis im Streit verlassen./jon/DP/he

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