03.04.2022 14:31:38

ROUNDUP: Fast alle Corona-Regeln fallen weg - Lehrerverband warnt vor Mobbing

BERLIN (dpa-AFX) - Nach mehr als zwei Jahren im Pandemiemodus sind am Sonntag fast bundesweit die meisten Corona-Beschränkungen weggefallen. Dies sei ein wichtiger und erfreulicher Schritt in Richtung Normalität, sagte der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. "Wir vollziehen das nach, was auch in den europäischen Nachbarländern zum Teil schon seit längerem umsetzt wird." Debatten zum weiteren Vorgehen in der Pandemie bleiben - nicht zuletzt wegen der weiter hohen Infektionszahlen.

Lehrerverbände warnen aufgrund der wegfallenden Regeln vor Mobbing.

"In der Tat droht jetzt die Gefahr, dass einerseits Kinder, die Maske tragen, von Mitschülern als Weicheier und überängstlich gehänselt werden oder auch umgekehrt Druck auf Nicht-Maskenträger ausgeübt wird", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der dpa. Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, warnte, dass "das Thema 'Maske ja oder nein' in jedes Klassenzimmer getragen wird und damit Schulfrieden und Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler" gefährde.

Am Sonntag sind durch das geänderte Infektionsschutzgesetz zahlreiche Auflagen weggefallen - darunter auch der Zugang nur für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) oder für Geimpfte und Genesene (2G). Eine Maskenpflicht ist fast bundesweit nur noch in Praxen, Pflegeheimen, Kliniken, Bussen, Flugzeugen und Bahnen sowie Tests beispielsweise in Schulen möglich.

Weitergehende Auflagen gelten nur noch in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. Beide Länder nutzen als vorerst einzige die sogenannte Hotspot-Regel. Sie erlaubt zusätzliche Vorgaben, wenn das Landesparlament eine regional drohende kritische Lage für die Kliniken feststellt. Unabhängig von staatlichen Regeln können Firmen, Geschäfte und andere Einrichtungen nach Hausrecht weiterhin Vorgaben beibehalten.

Die Unterschiede der Länder zeigten sich bereits am Wochenende. Wer am verkaufsoffenen Sonntag in Hamburg einkaufen wollte, brauchte dazu eine FFP2-Maske. Unweit der Stadtgrenze in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen durfte auf die Maske verzichtet werden.

Lindner: Tests weiter kostenlos

FDP-Chef Christian Lindner verteidigte den Wegfall der Maßnahmen. Empfindliche Freiheitseinschränkungen im ganzen Land seien nicht mehr verhältnismäßig, sagte er der "Bild am Sonntag". Kostenlose Impfungangebote und Corona-Tests solle es jedoch weiter geben. "Die Pandemie ist nicht überwunden. Deshalb werde ich als Finanzminister dafür sorgen, dass es weiter kostenlose Tests und Impfangebote gibt."

Kritik am Prinzip Freiwilligkeit

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisiert das Vorgehen. "In einer Zeit mit sehr hohen Infektionszahlen ist es verfrüht, fast alle Schutzmaßnahmen zu beenden." Er hätte sich ein Festhalten an der Maskenpflicht etwa beim Einkaufen gewünscht, sagte er.

Die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna rief dazu auf, in Innenräumen weiter Maske zu tragen. "Gerade in Supermärkten und Restaurants sind Masken weiterhin von großer Bedeutung, um Infektionen einzudämmen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) riet dies ebenfalls: "Das Risiko, sich zu infizieren, ist selten höher gewesen als jetzt". Der Minister verwies im Deutschlandfunk auf die weiterhin 200 bis 300 Menschen, die täglich im Zusammenhang mit Corona sterben. "Das ist nicht akzeptabel. Das ist ein Flugzeugabsturz jeden Tag."

Laut einer Insa-Umfrage wollen 63 Prozent der Bürger in Deutschland weiter beim Einkaufen freiwillig einen Mund-Nasen-Schutz tragen. 29 Prozent der Befragten gaben hingegen an, dass sie dies nicht tun möchten. Acht Prozent der Befragten wollten sich in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Insa für die "Bild am Sonntag" nicht festlegen.

Auch wenn die Neuinfektionszahlen seit einigen Tagen wieder sinken, bleiben sie hoch. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche am Sonntag mit 1457,9 an. Eine Woche zuvor lag der Wert bei 1723,8.

Ringen um allgemeine Impfpflicht

Der Deutsche Städtetag warnt derweil vor einem Scheitern der allgemeinen Corona-Impfpflicht. "Wir riskieren im Herbst wieder viele schwere Krankheitsverläufe, falls die Impfpflicht nicht kommt", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Um die Impfquote deutlich zu erhöhen, sei eine Impfpflicht ab 18 Jahren eindeutig besser geeignet als eine ab 50 Jahren.

Der Bundestag stimmt am Donnerstag über eine allgemeine Impfpflicht ab. Bundesgesundheitsminister Lauterbach bezeichnete im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks beide eingereichten Anträge - also jenen für eine Impfpflicht für alle Erwachsenen und jenen ab 50 - als gut und verwies auf weiter laufende Verhandlungen.

Die Union lehnt beide Anträge ab und schlägt stattdessen ein Impfvorsorgegesetz vor. Demnach soll ein Impfregister aufgebaut und ein "gestufter Impfmechanismus" eingeführt werden, der von Bundestag und Bundesrat je nach Pandemielage aktiviert werden kann. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb auf Twitter: "Falls vorläufig keine Impfpflicht in Deutschland kommt, befänden wir uns in guter Gesellschaft auf der Welt."/stz/DP/nas

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