29.03.2019 17:08:43
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ROUNDUP 2/Flugverbote für Boeing-Jets: Reiseriese Tui rechnet mit Gewinneinbruch
(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Dividende, Buchungsrückgang, Ersatzflugzeugen, aktualisierter Aktienkurs)
HANNOVER (dpa-AFX) - Die Flugverbote für Boeings (Boeing) Mittelstreckenjet 737 Max durchkreuzen die schon gekappten Gewinnpläne des weltgrößten Reisekonzerns TUI. Weil das Unternehmen reihenweise Ersatzflugzeuge mieten muss, rechnet Tui-Chef Fritz Joussen für das laufende Geschäftsjahr bis Ende September mit deutlichen Einbußen. Am Ende könnte der operative Gewinn um mehr als ein Viertel einbrechen, teilte der Reisekonzern am Freitag in Hannover mit. Auch die Kunden halten sich mit Buchungen seit dem Absturz einer Maschine von Ethiopian Airlines zurück.
Anleger reagierten verschreckt: Der Kurs der Tui-Aktie knickte am Morgen in London um mehr als zehn Prozent ein und lag am Nachmittag noch mit gut fünf Prozent im Minus. Seit Jahresbeginn hat die Aktie mehr als ein Drittel an Wert verloren. Seit Mai 2018 sank der Börsenwert des Unternehmens um rund 60 Prozent auf fünf Milliarden Euro.
"Wir halten es für unrealistisch, dass wir die 737 Max vor Mitte Juli wieder in die Luft bekommen", sagte Joussen. Tui hat 15 Maschinen der Reihe in der Flotte - bei den Konzern-Airlines in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden. Bis Ende Mai wollte der Konzern eigentlich acht weitere Exemplare in Betrieb nehmen - auch bei seiner deutschen Tochter Tuifly, die bisher noch keinen Flieger des Typs besitzt.
Nach den Abstürzen zweier baugleicher Flugzeuge bei Lion Air und Ethiopian Airlines mit 346 Toten haben Luftfahrtbehörden in aller Welt vor kurzem Flugverbote für die Maschinen der Reihe verhängt. Auch die Auslieferung neuer Maschinen ist gestoppt. Mit 23 Jets sei Tui "der am stärksten betroffene Max-Betreiber in Europa", sagte Joussen.
Weil ein Ende der Flugverbote noch nicht absehbar ist, hat sein Team zwei Szenarien durchgerechnet. Sollten die Maschinen bis Mitte Juli wieder fliegen dürfen, werde dies den operativen Gewinn (bereinigtes Ebita) voraussichtlich mit rund 200 Millionen Euro belasten. Sollten die Flugverbote länger gelten, kämen weitere 100 Millionen Euro an Kosten hinzu.
Tui begründete das mit der Verlängerung bestehender Flugzeug-Leasingverträge, den Mietzahlungen für weitere Ersatzmaschinen und den Kosten für die Umorganisation. So muss Tui für viel Geld Flugzeuge samt Personal von anderen Airlines mieten.
Gerade in der Hauptsaison seien die Anbieter in Europa weitgehend ausgebucht und die Mietpreise entsprechend hoch, erläuterte das Management. Um Maschinen ohne Personal zu mieten und in die eigene Flotte aufzunehmen, sei die Zeit zu knapp. Die Ummeldung eines Jets auf eine eigene Airline dauere mehrere Monate - Zeit, die bis zum Sommer nicht bleibt.
Obendrein muss der Konzern voraussichtlich mehr Geld für Treibstoff ausgeben als gedacht: Denn Boeings 737-Max-Jets verbrauchen deutlich weniger Kerosin als ältere Flugzeuge wie ihre Vorgängerin Boeing 737 NG. Ohne die neuen Flieger muss Tui mehr spritdurstigere Maschinen einsetzen.
Die Mehrkosten haben schmerzliche Auswirkungen auf den operativen Gewinn des Konzerns. Im günstigeren Fall - wenn die Maschinen spätestens Mitte Juli wieder abheben dürfen - dürfte das Ergebnis von zuletzt knapp 1,2 Milliarden Euro um 17 Prozent im laufenden Geschäftsjahr sinken, rechnete Tui vor.
Sollten die Flugverbote länger dauern, werde der operative Gewinn sogar um bis zu 26 Prozent einbrechen. Ob dadurch auch die Ausschüttung an die Aktionäre sinkt, wollte Joussen nicht endgültig sagen. Man habe noch nicht entschieden, ob man die Gewinnbelastung durch die Flugverbote bei der Berechnung der Dividende ausklammere, sagte er. Vorerst gelte dies aber nicht.
Unterdessen bekommt Tui die Folgen der Abstürze und der Flugverbote auch bei der Nachfrage nach Flugreisen im Sommer zu spüren. Seit dem Absturz der Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines am 10. März lägen die Buchungen bei Tui um 10 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, sagte Joussen. "Wenn so etwas über 5 Wochen anhält, bekommen Sie diesen Effekt nicht mehr weg."
Dabei hatte der Manager seine Gewinnprognose bereits Anfang Februar gekappt. Wegen des anhaltenden Trends zu Last-Minute-Buchungen und der Auswirkungen des Brexits auf die Buchungen aus Großbritannien sollte der operative Gewinn in diesem Jahr seither nur noch stagnieren, statt um zehn Prozent zu steigen.
Inzwischen hat Boeing ein dringend erwartetes Update seiner nach den beiden Flugzeugabstürzen in die Kritik geratenen Steuerungs-Software MCAS vorgestellt. Nach den tödlichen Unglücken bleiben die Kritik und der Aufklärungsbedarf groß. Neben dem Software-Update, das noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss, will Boeing die Sicherheit der Unglücksflieger der 737-Max-Serie mit weiteren Alarmfunktionen im Cockpit und zusätzlichem Training für Piloten erhöhen.
Tui wollte sich nicht dazu äußern, inwieweit Tui die Mehrkosten durch die Flugverbote vom Hersteller zurückfordert. "Unsere Verhandlungen mit Boeing laufen bereits, wie Sie sich vorstellen können", sagte Joussen. In den erwarteten Gewinnbelastungen sei eine mögliche Entschädigung durch den Hersteller noch nicht berücksichtigt. Der norwegische Billigflieger Norwegian (Norwegian Air Shuttle AS) hatte bereits kurz nach Verhängung der Flugverbote Schadenersatz-Forderungen gegen Boeing angekündigt./stw/zb/he
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