15.05.2017 21:33:56
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Rheinische Post: Zufallskoalition Schwarz-Gelb Kommentar Von Martin Kessler
Düsseldorf (ots) - Nordrhein-Westfalen, das Stammland der SPD, sei
für die Christdemokraten kein leichtes Pflaster, hatte die Kanzlerin
noch drei Tage vor der Landtagswahl kundgetan. Nun haben es
Christdemokraten und Liberale auch noch geschafft, eine Mehrheit zu
gewinnen. Das hat beide so sehr überrascht, dass sie sich schwertun,
miteinander ins Geschäft zu kommen. Doch genau das ist es, was die
bürgerlichen Wähler von CDU und FDP erwarten - eine Koalition des
Aufbruchs, des Augenmaßes und der Mitte. Wenn die beiden Parteien das
nicht schaffen, haben sie ihre Regierungsfähigkeit schon verspielt,
bevor sie begonnen haben. Es ist richtig: Die jüngste Bilanz
schwarz-gelber Bündnisse sieht eher durchwachsen aus. Im Bund ist die
Kombination 2013 krachend gescheitert - nicht zuletzt an der Arroganz
der Union und dem fehlenden Realitätssinn der FDP. In
Nordrhein-Westfalen wurde Jürgen Rüttgers 2010 trotz einer passablen
Leistung abgewählt, weil er bei den Wählern nicht glaubwürdig war.
Nirgends in der Bundesrepublik gibt es derzeit eine schwarz-gelbe
Koalition. Und auch das Ergebnis vom Sonntag stellt sich eher als
Zufallsprodukt denn als Wunschkonstellation dar. Politik lebt aber
vom Machbaren. Und diese unerwartete Chance müssen Christdemokraten
und Liberale ergreifen - auch wenn sie nur eine Stimme Mehrheit
haben. Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Wer die Erwartungen der
Wähler nicht erfüllt, muss einer neuen Konstellation Platz machen.
Und selten ist der Wechsel so klar wie in Nordrhein-Westfalen.
Schwarz-Gelb muss nun beweisen, dass es nicht alles anders, aber
vieles besser macht als Rot-Grün. Gleichzeitig können Laschet und
seine künftigen Partner in der FDP - Lindner will ja nach Berlin -
aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Die Koalitionäre müssen
sich auf Augenhöhe begegnen und entschlossen sein, die Defizite des
Landes in der Bildung, der Wirtschaft, der inneren Sicherheit und der
Infrastruktur gemeinsam anzugehen. Sie müssen sich messbare Ziele
setzen und die Bürger in fünf Jahren entscheiden lassen, ob sie diese
Ziele auch erreicht haben. Das Land ist den Siegern anvertraut. Das
verlangt Verantwortung, aber auch Tatkraft und Zukunftswillen. Das
geeignete Personal dafür scharrt schon mit den Hufen. Es ist nach
zwei Fehlversuchen die letzte Chance für Schwarz-Gelb. Vielleicht ist
es nicht schlecht, dass CDU und FDP nicht im Hurra-Stil aufeinander
zugehen, sondern sich erst beschnuppern. Nach einer Zeit des
Abtastens müssen sie aber ernst machen. So haben es die Wähler
entschieden.
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