07.11.2023 09:30:38

OTS: Wissenschaftliches Institut der AOK / Mehr Geld für weniger Versorgung: ...

Mehr Geld für weniger Versorgung: Jeder zweite Euro ist 2022 für

patentgeschützte Arzneimittel ausgegeben worden

Berlin (ots) - Die Nettoausgaben für Arzneimittel zu Lasten der Gesetzlichen

Krankenversicherung haben im Jahr 2022 mit 52,9 Mrd. Euro wieder einen neuen

Rekordwert erreicht. Im Zehn-Jahres-Vergleich sind die Nettokosten um 88,0

Prozent angestiegen. Die Kosten für patentgeschützte Arzneimittel haben sich in

diesem Zeitraum sogar verdoppelt: Sie lagen 2022 bei 27,8 Mrd. Euro, während es

2013 noch 13,9 Mrd. Euro waren. Damit entfiel bei den Arzneimittel-Ausgaben 2022

mehr als jeder zweite Euro auf patentgeschützte Arzneimittel (52,6 Prozent). Zum

Vergleich: Die Wirtschaftskraft Deutschlands stieg - gemessen am

Bruttoinlandsprodukt - im selben Zeitraum gerade einmal um knapp 38 Prozent.

Eine Auswertung der verordneten Tagesdosen zeigt, dass die patentgeschützten

Arzneimittel nur 6,8 Prozent der Versorgung abdecken. Im Jahr 2013 lag dieser

Wert noch bei 12,2 Prozent; er ist damit in den vergangenen zehn Jahren um mehr

als 30 Prozent gesunken.

"Der langjährige Trend, dass patentierte Arzneimittel immer mehr kosten, jedoch

gleichzeitig immer weniger zur Versorgung beitragen, hat sich auch im

vergangenen Jahr fortgesetzt", sagt Helmut Schröder, Geschäftsführer des

Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). "Die 2011 mit dem

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz eingeführten gesetzlichen Regelungen zur

frühen Nutzenbewertung und zu nachgelagerten Preisverhandlungen haben ganz

offensichtlich nur begrenzten Einfluss auf die Preisgestaltung der Hersteller

patentierter Arzneimittel."

Verdoppelung der Kosten für patentgeschützte Arzneimittel

Während die Nettokosten der Arzneimittel in den letzten zehn Jahren um 88,0

Prozent gestiegen sind, ist die Anzahl der Verordnungen lediglich um 12,6

Prozent angestiegen - bei einem Anstieg der GKV-Versicherten um 5,5 Prozent.

Ursachen des Anstiegs der Arzneimittel-Ausgaben sind neben einem generellen

Anstieg der Verordnungsmenge auch die jährlich wachsenden

Arzneimittelpackungs-Preise. Im Jahr 2022 ist der Wert je Verordnung erneut um

0,2 Prozent gestiegen, die Anzahl der Verordnungen stieg um 4,9 Prozent im

Vergleich zum Vorjahr. Im Dezember 2022 betrug der durchschnittliche Preis für

verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel 1.763,32 Euro, im Vorjahresmonat

waren es noch 1.260,99 Euro (+ 39,8 Prozent). Patentgeschützte Arzneimittel

wiesen im Dezember 2022 im Durchschnitt sogar einen Preis von 20.631,41 Euro pro

Packung auf. Dieser Wert liegt 44,4 Prozent über dem Preis für patentgeschützte

Arzneimittel des Vorjahresmonats (durchschnittlich 14.289,81 Euro). Auch aus

diesem Grunde wurde im Jahr 2022 jeder zweite Euro der Arzneimittelkosten für

diese patentgeschützten Arzneimittel (52,6 Prozent) ausgegeben - bei einer nur

geringen Verordnungsabdeckung von 6,8 Prozent (gemessen an den verordneten

Tagesdosen). "Auch im laufenden Jahr ist trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz keine Trendumkehr zu erwarten. Es ist mit einem

erneuten Anstieg der GKV-Ausgaben zu rechnen", prognostiziert Helmut Schröder.

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) sorgt seit 2011 dafür, dass neue

patentgeschützte Arzneimittel ohne Zusatznutzen für Patientinnen und Patienten

erkannt werden. "Denn neu ist nicht immer innovativ", betont Helmut Schröder.

Dies zeigten die Ergebnisse der AMNOG-Verfahren bis 2021: Bei 61,5 Prozent der

adressierten Patientengruppen konnte im AMNOG-Bewertungsverfahren kein

Zusatznutzen gegenüber der existierenden Vergleichstherapie ermittelt werden.

Relativ hohe Kosten entfallen auf neue Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen

gegenüber den bereits im Markt befindlichen Mitteln vorweisen können. Zwischen

2012 und 2021 hat die GKV 16,6 Milliarden Euro für Arzneimittel ohne jeglichen

Zusatznutzen aufbringen müssen, allein im Jahr 2021 belief sich die Summe auf

3,8 Milliarden Euro. "Auch wenn mit dem AMNOG-Bewertungsverfahren die Spreu vom

Weizen getrennt wird, wird durch eine Vielzahl dieser neuen Arzneimittel

offenkundig keine Verbesserung der Versorgungsqualität erreicht", so Schröder.

Ein Drittel der patentgeschützten Arzneimittel für Krebserkrankungen

Das umsatzstärkste Arzneimittel des Jahres 2022 ist Keytruda (Pembrolizumab,

eingesetzt bei Krebserkrankungen) mit 1.308 Mio. Euro Nettokosten (+ 16 Prozent

im Vergleich zum Vorjahr, 471 Tsd. Verordnungen), gefolgt von Eliquis (Apixaban,

bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen) mit 1.257 Mio. Euro Nettokosten (+ 12 Prozent,

5,5 Mio. Verordnungen) und Xarelto (Rivaroxaban, bei

Herz-Kreislauf-Erkrankungen) mit 861,6 Mio. Euro Nettokosten (+ 4 Prozent, 3,1

Mio. Verordnungen). Alle drei Arzneimittel stehen unter Patenschutz.

Insgesamt wurden im Patentmarkt ca. 8,1 Mrd. Euro bei 3,2 Mio. Verordnungen für

Krebserkrankungen ausgegeben. Dies ergibt einen Wert von etwa 2.500 Euro je

Verordnung. Damit entfallen immerhin 15,2 Prozent aller Arzneimittelkosten auf

Krebstherapien, die gerade einmal einen Verordnungsanteil von 0,4 Prozent

ausmachen. Patentfreie Mittel gegen Krebserkrankungen wiesen Nettokosten von 2,4

Mrd. Euro bei 5,3 Mio. Verordnungen auf. Dies ergibt einen Wert je Verordnung

von ca. 450 Euro - knapp ein Fünftel des Preises der patentgeschützten Mittel

gegen Krebserkrankungen. Dies ist dadurch begründet, dass nach Patentablauf die

Preise der Arzneimittel aufgrund des Wettbewerbs mit den Generika-Anbietern

meist stark absinken.

WIdO-Veröffentlichung beleuchtet Entwicklung des Arzneimittelmarktes

Die aktuelle WIdO-Veröffentlichung "Der GKV-Arzneimittelmarkt: Klassifikation,

Methodik und Ergebnisse 2023" beleuchtet das Marktgeschehen im

Arzneimittelbereich. So werden nicht nur Gründe für Marktbewegungen bei

bestimmten Wirkstoffgruppen beschrieben, sondern auch die verordnenden

Facharztgruppen ausgewertet. Die meisten Arzneiverordnungen wurden 2022 mit

24.965 definierten Tagesdosen (DDD, Defined Daily Dose) von Hausärztinnen und

Hausärzten getätigt, gefolgt von den hausärztlich tätigen Internistinnen und

Internisten mit 12.434 DDD. Die höchsten durchschnittlichen Nettokosten je

Ärztin/Arzt waren mit 5.233 Tsd. Euro bei den Fachärztinnen und Fachärzten für

Hämatologie/Onkologie zu verzeichnen. Die WIdO-Publikation informiert auch

darüber, wie viele Arzneimittel jeder GKV-Versicherte im Jahr 2022 in

Deutschland erhalten hat: Durchschnittlich wurden im vergangenen Jahr 645 DDD

verordnet. Den niedrigsten Arzneimittelverbrauch wiesen die 25- bis 29-Jährigen

mit durchschnittlich 110 DDD je GKV-Versicherten auf. Die meisten Verordnungen

erhielt die Gruppe der 80- bis 84-Jährigen mit durchschnittlich 1.877 DDD. Nicht

nur in den Altersgruppen gab es Unterschiede in den Verordnungen, sondern auch

zwischen den Geschlechtern. Frauen erhielten mit 690 DDD ca. 15 Prozent mehr

Verordnungen als Männer mit 597 DDD.

Mit dem PharMaAnalyst bietet das WIdO auch ein Online-Portal für Analysen zum

Arzneimittelmarkt an. Der PharMaAnalyst ermöglicht den Anwenderinnen und

Anwendern passgenaue Auswertungen aller Verordnungsdaten der GKV für die Jahre

2012 bis 2022. Die jährlich 3.000 verordnungs- und umsatzstärksten Arzneimittel,

die der GKV-Arzneimittelindex im WIdO qualitätsgesichert aufbereitet, stehen für

individuelle Analysen zur Verfügung. Auswertungen können im PharMaAnalyst nach

konkreten Fertigarzneimitteln sowie nach einzelnen Wirkstoffen oder

Wirkstoffgruppen durchgeführt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, sich die

100 umsatz- oder verordnungsstärksten sowie die teuersten Präparate im gesamten

GKV-Arzneimittelmarkt in Ranglisten anzeigen zu lassen.

Die Berechnungen des WIdO basieren auf anonymisierten Verordnungsdaten, welche

in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken in der ambulanten Versorgung

zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Die Daten

basieren auf rund 468 Mio. Rezeptblättern und ca. 820 Mio. einzelnen

Verordnungen.

Hinweis für die Redaktionen: Die Publikation " Der GKV-Arzneimittelmarkt:

Klassifikation, Methodik und Ergebnisse 2023" steht zum kostenfreien Download

unter https://ots.de/umLGJ0

Pressekontakt:

Wissenschaftliches Institut der AOK

Pressestelle

Peter Willenborg

Telefon: 030 34646 2467

Mobil: 0173 / 8607866

E-Mail: mailto:presse@wido.bv.aok.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/32063/5642989

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