10.03.2022 20:30:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Unter Vorbehalt, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Unter Vorbehalt, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - Sosehr EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag auch
das Gegenteil behauptete - die neuen Beschlüsse der Notenbank stellen sehr wohl
eine Beschleunigung bei der Normalisierung der ultralockeren Geldpolitik dar.
Die billionenschweren Anleihekäufe werden schneller gedrosselt als bislang
avisiert, und erstmals steht ein mögliches Enddatum aller Anleihekäufe im Raum:
das dritte Quartal. Angesichts der extremen Unsicherheit wegen des
Ukraine-Kriegs war damit nicht unbedingt zu rechnen. Aber es ist absolut
richtig, dass die EZB mit der Normalisierung voranschreitet.
Natürlich wird der fürchterliche Krieg auch in der Euro-Wirtschaft spürbaren
Schaden anrichten. Wie groß dieser ausfällt, ist aber vollkommen offen und
hängt von der weiteren Entwicklung in der Ukraine ab. Fundamental steht die
Euro-Wirtschaft jedenfalls gar nicht so schlecht da. Vor allem aber: Der Krieg
dämpft nicht nur das Wachstum, sondern heizt auch die ohnehin rekordhohe
Inflation an. Selbst 6 Prozent oder 7 Prozent Inflation scheinen 2022 nicht mehr
undenkbar - wohlgemerkt: nicht in der Spitze, sondern im Jahresdurchschnitt.
Billionenschwere Anleihekäufe passen da schlicht nicht mehr in die Zeit.
Die EZB wäre aber nicht die EZB, wenn sie sich nicht allerlei Hintertürchen
offenlassen würde - oder um es mit Lagarde zu sagen: sich "so viel Optionalität
wie möglich" verschafft. Es ist also quasi eine Normalisierung unter Vorbehalt.
Tatsächlich macht es in Krisen- und Kriegszeiten Sinn, sich Flexibilität zu
bewahren. Wenn der Ukraine-Krieg noch in eine ausgewachsene Energie- und
Wirtschaftskrise münden sollte, kann sich das Bild noch einmal komplett drehen.
Die Beweislast für einen EZB-Kurswechsel läge dann jetzt aber richtigerweise bei
jenen, denen die EZB-Geldpolitik eigentlich nie locker genug sein kann.
Die EZB darf sich auch dann auf keinen Fall voreilig in neue geldpolitische
Abenteuer wie etwa eine Art "Kriegs-PEPP" stürzen. Die primäre Aufgabe der EZB
ist und bleibt, für stabile Preise zu sorgen. Das wäre übrigens auch und
besonders im Fall einer Stagflation der Fall. Die 1970er Jahre nach den
Ölpreisschocks sollten da eine Lehre sein. Perspektivisch erfordert das auch
steigende Leitzinsen.
Das bedeutet zugleich, dass die Hauptbürde bei der Bewältigung der
wirtschaftlichen Folgen jetzt auf den Schultern der Regierungen und der
Fiskalpolitik liegt. Dabei ist sicher finanzielle Solidarität in Europa
angezeigt, weil die Länder von gemeinsam verhängten und als sinnvoll erachteten
EU-Sanktionen gegen Russland unterschiedlich betroffen sind. Brüssel, Berlin,
Paris & Co. - übernehmen Sie!
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