10.09.2021 19:44:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Tapering à la Lagarde, ein Marktkommentar von Kai Johannsen
Tapering à la Lagarde, ein Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - Tapert sie nun, oder tapert sie nicht? Das ist hier die große
Frage. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Sitzung in der gerade
abgelaufenen Woche beschlossen, dass das Pandemie-Notfallkaufprogramm PEPP
zurückgeführt wird. Im vierten Quartal wollen die europäischen Währungshüter nun
weniger Bonds kaufen als bisher. Viele im Markt hatten erwartet, dass es zu
diesen Beschlüssen kommen wird, so mancher aber war davon ausgegangen, dass sich
EZB-Chefin Christine Lagarde und ihre Kollegen im geldpolitischen Rat der EZB
für diesen Entscheid womöglich noch etwas Zeit lassen werden. Und irgendwie
haben doch beide Seiten Recht behalten.
EZB-Präsidentin Lagarde hat doch "lediglich" in Aussicht gestellt, dass es im
vierten Quartal zu einer Rückführung dieser Bondkäufe kommen wird, aber ein
konkretes Volumen dieser Drosselung haben die Verantwortlichen bei der EZB nicht
genannt. Und die EZB-Chefin vermied auch, diese Maßnahme als Tapering zu
deklarieren. Sie betonte sogar, dass es sich hierbei nicht um ein Tapering
handeln würde. Genau das lässt tief blicken. Und genau darauf müssen sich die
Märkte einstellen. Es wird nämlich kein Tapering im bekannten Sinne mehr geben,
denn die Erfahrungen damit sind schlichtweg zu negativ, und die EZB kann sich
die Konsequenzen einer solchen Ankündigung des Tapering und der anschließenden
Durchführung desgleichen schlichtweg nicht leisten.
Die EZB vermeidet nicht nur das Wort Tapering, sondern sie wird im Markt im
vierten Quartal auch genau so auftreten, dass man ihr "Kaufverhalten" oder
"Nichtkaufverhalten" genauso interpretieren kann. Wer soll denn auch schon bei
einem Bondkauf sagen können, dass es sich hierbei um die Wiederanlage von Kupons
von Bonds handelt, die im Portfolio der EZB sind, oder dass es womöglich
Rückflüsse von Nominalwertzahlungen aus auslaufenden Anleihen waren? Oder waren
es doch Käufe im Rahmen von PEPP? Waren es nur geringere Käufe, weil es
schlichtweg im Handel aufgrund der hohen Preise nicht mehr von diesem Bond gab?
Es ist doch bekannt, wie schnell die Bonds bei Neuemissionen wegplatziert sind
und wie schwer es ist, nach einigen Wochen noch Stücke von dem Material zu
bekommen. In manchen Fällen ist es sogar unmöglich, noch Papiere zu erhalten.
Vielleicht kauft die EZB dann ja auch aus diesem Grund weniger. Oder hat die EZB
deshalb nicht gekauft, weil ihr der Preis in dem Moment dann doch zu hoch war?
Hat die EZB - und darauf müssen sich die Märkte dann auch einstellen -
vielleicht auch mal aus taktischen Gründen nicht gekauft? Einfach null Volumen,
um mal zu gucken, wie der Markt reagiert, wenn mal nicht oder nur weniger
gekauft wird? Denn genau das gehört auch zur Marktsondierung, und zwar gerade
beim Tapering. Aber vielleicht hat die EZB dann auch deshalb weniger im vierten
Quartal an Bonds gekauft - was der Markt dann in seiner Breite auch erst im
ersten Quartal 2022 wissen wird -, weil sie weniger kaufen wollte, also weil sie
tapern wollte. Viele, viele Fragezeichen.
Und auf was sollten sich die Marktteilnehmer einstellen? Sie sollten sich darauf
einstellen, dass es bei der EZB bzw. ihren Marktaktivitäten genauso weitergeht
wie bisher. Die EZB leistet Unterstützung für die Märkte - so wie die Akteure
auf den Märkten es auch erwarten. Und die EZB liefert weiterhin. Und damit wird
das Verhalten der EZB im Markt auch weiterhin Raum für Spekulationen bieten:
Weniger Käufe bedeuten nun Tapering oder weniger Käufe bedeuten irgendwas
anderes? Genau das wird die EZB den Marktteilnehmern nicht erklären. Und sie tut
gut daran. Denn so vermeidet sie Irritationen im Markt und demzufolge
Anpassungsreaktionen an den Märkten, vor allem an den billionenschweren
Bondmärkten und auch an den Aktienmärkten sowie an den Devisenmärkten -
Anpassungsreaktionen, die der EZB dann selbst wieder zum Verhängnis werden
könnten, weil sie aufgrund der von ihr selbst ausgelösten Reaktionen wieder
eingreifen müsste, um selbige dann wieder zu beheben. Sie will ja gerade die
günstigen Finanzierungsbedingungen in der Eurozone erhalten - also die durch
ihre eigenen Käufe ausgelösten niedrigen Bondrenditen - und gleichzeitig ja auch
irgendwann mal aus diesem Szenario aussteigen und den Markt wieder sich selbst
überlassen. "Dosiert" soll es erfolgen - wie Lagarde meinte. Und so wird es das
dosierte Tapering, das im Sprachgebrauch der EZB gar kein Tapering ist. Das ist
Tapering à la Lagarde.
Pressekontakt:
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