27.06.2022 19:18:38

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Strohfeuer, Kommentar zur türkischen Lira von Stefan Reccius

Frankfurt (ots) - Eines kann man Recep Tayyip Erdogan und seiner Clique

wirtschaftspolitischer Hasardeure an den Schaltstellen des türkischen Staates

nicht vorwerfen: dass es ihnen an Einfallsreichtum mangelt. Den neuesten Clou

hat die Bankenaufsicht orchestriert. Türkische Banken müssen von nun an ihre

Kreditvergabe an Unternehmen einschränken, wenn diese über einen gewissen

Bestand an Fremdwährungen verfügen. Das hat der tief gefallenen Lira Auftrieb

gegeben. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich wieder einmal um ein

Strohfeuer handelt.

Der Grund ist, dass sich an der eigentlichen Ursache der chronischen

Währungsschwäche in der Türkei nichts ändert. Es ist die von oben verordnete

Tatenlosigkeit der Notenbank. Die Erdogan treu ergebenen Währungshüter halten

seit mehr als einem halben Jahr stoisch am Leitzins von 14 % fest, obwohl die

Inflation in der Zwischenzeit auf Werte jenseits von 70 % davongaloppiert ist.

Niedrigzinsdiktat, unerschütterliche Inflationstoleranz und eine kalkulierte

Abwertung der Lira mit dem Ziel, türkischen Exporteuren die Geschäfte auf den

Weltmärkten zu erleichtern, sind die unverkennbaren Markenzeichen von Erdogans

Wirtschaftspolitik geworden.

Wesentliches Element dieser Strategie ist der wiederkehrende Griff in die

währungspolitische Trickkiste. Seit Jahren fester Bestandteil des Repertoires

sind verdeckte Interventionen staatsnaher Banken am Devisenmarkt. Doch das

genügt längst nicht mehr, um die Lira vor dem Absturz zu bewahren, denn die

Fremdwährungsreserven für solche Operationen sind endlich.

Also umgarnen Regierung und Regulatoren Bürger und Unternehmen, um ihnen die

heimische Währung schmackhaft zu machen. Für Aufsehen sorgte im Dezember ein

Novum: Sparer können sich auf Staatskosten gegen Wechselkursrisiken absichern,

indem sie ihre Einlagen auf spezielle Lira-Konten umschichten. Nun steigt auch

der Druck auf Unternehmen, von Dollar und Euro auf Lira umzusteigen. Im

Fachjargon ist von "Liraisierung" die Rede.

Alle paar Monate kommen die politischen Entscheidungsträger mit einem neuen

Kniff um die Ecke, statt das Naheliegende zu tun und den Leitzins zu erhöhen.

Damit sedieren sie die aufgeschreckten Märkte vorübergehend und demonstrieren

Bürgern und Unternehmern Handlungsfähigkeit. Mittelfristig erodiert der Wert der

Lira dennoch weiter. Nichts deutet darauf hin, dass sich an diesem Muster bis zu

einem möglichen Machtwechsel bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in

einem Jahr Wesentliches ändert.

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