13.05.2022 19:20:38
|
OTS: Börsen-Zeitung / Stimmungswandel, Kommentar zu Bondrenditen von Kai ...
Stimmungswandel, Kommentar zu Bondrenditen von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - Geraume Zeit ist das Urteil an den Kapitalmärkten recht
einhellig - bisweilen vielleicht auch ein wenig einseitig - ausgefallen: Die
Inflation - wesentlich im Gefolge der Covid-19-Pandemie - ist dies- und jenseits
des Atlantiks auf mehrjährigen Hochs bzw. den höchsten Ständen seit Jahrzehnten.
Das muss die Notenbanken auf den Plan rufen, die sich mit einer geldpolitischen
Straffung gegen die hohe Teuerung stemmen müssen, damit sie nicht zur Gefahr
eines andauernden Währungs- und Kaufkraftverlustes wird. Die Bondmärkte nehmen
dies vorweg. Die Aussicht auf höhere Leitzinsen in den USA und erwartungsgemäß -
mit Nachlauf - in der Eurozone führte zu steigenden Bondrenditen. Die Diskussion
unter Marktakteuren und Volkswirten war im Wesentlichen über die Inflationsseite
bestimmt. Mahnende Stimmen in Richtung Konjunkturrisiko waren entweder
Mangelware oder wurden übertönt.
Die zehnjährige Bundrendite schwang sich in diesem Jahr auf Höhen, die man seit
rund sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte. 1 % konnte bei der laufenden
Verzinsung wieder eingestrichen werden. Solche Niveaus gab es zuletzt im Juni
2015. Selbst 1,1 % wurden fast schon mit Leichtigkeit überschritten. Am
US-Staatsanleihenmarkt gingen die zehnjährigen Sätze bis über 3,1 %. Und nun in
diesen Tagen die Rolle rückwärts. Zehnjährige Bunds machten Riesenschritte
zurück unter die 1-Prozent-Marke. Bis auf 0,84 % ging es herunter. Damit einher
geht eine Änderung der Betrachtung.
Ausgelöst wurde sie durch die Inflationsdaten in den USA. Nach den kräftigen
Anstiegen geht die Inflationsrate erstmals seit August vorigen Jahres zurück,
wenn auch nur leicht. Die Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen sank im
vorigen Monat auf 8,3 % von 8,5 % im März. Das ist zwar wahrlich kein Grund für
einen Jubelschrei, liegt die Teuerung doch noch immer auf nicht akzeptablen
Höhen. Aber es führte zu einer leicht veränderten Betrachtung. Ob sie hält, muss
abgewartet werden. Nun bekamen die Konjunkturskeptiker die Oberhand. Viele im
Markt rechnen damit, dass die US-Notenbank zur Bekämpfung der Inflation den
Leitzins weiter anheben wird. Doch genau das könnte für die US-Konjunktur zum
Problem werden: Würgt die Fed womöglich die Konjunktur über die Zinsanhebungen
wieder ab, lautet die bange Frage, die sich mehr und mehr Anleger an den Märkten
stellen.
Und somit wird am Markt nun die wirtschaftliche Abschwächung eingepreist. Die
Kurve der US-Staatstitel ist derzeit enorm flach - Anfang April war sie ja schon
invertiert. Für zweijährige US-Treasuries gibt es rund 2,6 % Rendite, 2,87 % bei
fünf Jahren Laufzeit und mit 2,9 % nur unwesentlich mehr bei zehnjährigen
US-Treasuries. Und wer 3 % will, muss sich sputen, denn gerade einmal 3,05 %
gibt es derzeit noch, man muss sein Geld dann aber für 30 Jahre in
US-Staatspapieren binden. Flache Kurven signalisieren in der Lesart der
Bondmärkte eine konjunkturelle Verlangsamung. Sollte sie eintreten, könnte die
Fed auch wieder auf die Bremse treten, will heißen nicht so stark erhöhen, wie
es mancher vor Monaten erwartet hatte und vielleicht noch erwartet.
Hinzu kommt - insbesondere wirkt sich dieser Aspekt auf Europas Wirtschaft aus -
der Ukraine-Krieg. Er führt zwar zu Preissteigerungen bei Energieträgern und
Rohstoffen und hat wirtschaftliche Konsequenzen. Eine Rezession in Europa ist -
je nachdem, wie lange der Krieg noch dauert und wie intensiv er wird - nicht
mehr völlig von der Hand zu weisen. Inflationsschübe sollten im Gefolge des
Krieges weiter eintreten, die Wirtschaft sollte aber auch über
Lieferunterbrechungen, Umsatzausfälle, Gewinnrückgänge belastet werden.
Womöglich folgen auch Insolvenzen und Entlassungen. Das lässt das Pendel an den
Märkten zurückschwingen. Risikobehaftete Assets wie Aktien zeigen ebenso
Rücksetzer wie die Bondrenditen, was gerade dieser Tage zu beobachten war bzw.
ist. Rezessionssorgen ließen auch den Kupferpreis in die Knie gehen. Weniger als
9 000 Dollar je Tonne des Industriemetalls mussten dieser Tage noch bezahlt
werden. So niedrig war der Preis zuletzt im Oktober vorigen Jahres.
Und noch etwas kommt hinzu: Die Anleger nehmen einerseits die höheren
Bondrenditen zum Beispiel im zweijährigen US-Treasury-Bereich gern wieder mit,
andererseits tritt bei den sicheren Bundesanleihen und den US-Staatstiteln auch
wieder der Status des sicheren Hafens hervor. Diese höhere Nachfrage treibt die
Bondpreise rauf und die Rendite wieder herunter. Sollte sich die Rezessionsangst
weiter verfestigen, sind weitere Renditerückschläge einzukalkulieren.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069-2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5221932
OTS: Börsen-Zeitung
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!