26.08.2022 20:05:38

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Scheitern in Serie, Kommentar zu Telekommunikationsunternehmen von

Heidi Rohde

Frankfurt (ots) - Tim Höttges, der Vorstandschef der Deutschen Telekom, hat sich

von einer Lieblingsagenda verabschiedet. Der leidenschaftliche Befürworter einer

umfassenden grenzüberschreitenden Konsolidierung der Telekombranche in Europa -

auf idealerweise vier große Player - gibt die Idee als "chancenlos" auf. Ein

beachtliches Signal von einem Manager, der eigentlich nie aufgibt (We won't

stop). Aber bei diesem Vorstoß hat Höttges auf Granit gebissen. Zu groß waren

die nationalen Widerstände. Die Vorstellung, die kritische

Telekommunikationsinfrastruktur in ausländische Hände zu legen, erscheint in

allen europäischen Ländern monströs, der Verlust souveräner Kontrolle nicht

hinnehmbar; dies auch dann nicht, wenn es sich bei dem potenziellen

Zusammenschluss um zwei Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten handelt. Gerade in

einer Schlüsselbranche für Wirtschaft und Gesellschaft hat die Idee eines

europäischen Champions keine echten Anhänger. Das musste vor rund 20 Jahren

schon der damalige Telekom-Chef Ron Sommer erfahren, als er Telecom Italia

schlucken wollte. Dafür hat sie auch jenseits der Politik genügend Gegner. Die

mächtigsten sitzen in der EU selbst an den Schalthebeln der Macht.

Die EU-Kartellbehörde kann einer Konsolidierung der Branche schon in einzelnen

Ländern in aller Regel wenig abgewinnen; das Ziel einer Konzentration auf wenige

große Player in Europa wäre in Brüssel chancenlos. Indes hat die Idee auch

betriebswirtschaftlich nicht den größten Charme, denn die Synergien bei

grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen sind sehr begrenzt. Operativ kann die

Skalierung einiges an Ersparnissen bringen, aber der große Hebel - Synergien bei

den Investitionen in die Netze - fehlt.

Die europäische Telekombranche muss daher andere Wege finden, um ihr größtes

Problem zu lösen: milliardenschwere Investitionen in neue Infrastruktur, vor

allem Glasfaser, aber auch 5G. Sowohl Festnetz als auch Mobilfunk müssen

aufgerüstet werden, um den explodierenden Datenverkehren einer künftig stärker

digitalisierten Wirtschaft gerecht zu werden. Dies umso mehr, als der technische

Fortschritt nicht nur im Transport größerer Verkehrsmengen besteht, sondern die

neuen Netze auch um ein Vielfaches energieeffizienter sind. Das ist auch für die

Klimabilanz der Unternehmen relevant. Scharfer Wettbewerb unter den Anbietern,

anhaltender Druck auf Preise durch die relative Verbilligung der Services und

infolgedessen stagnierende oder gar sinkende Cashflows beeinträchtigen indes

seit Jahren die Investitionskraft vieler Telekomfirmen. Dabei sind die

schwächsten Glieder der Kette - namentlich Telecom Italia (TIM), KPN und BT

Group - nicht ohne Grund ins Visier von Schnäppchenjägern geraten. TIM und BT

ächzen beide unter einer schweren Schuldenlast, die eine echte Kraftanstrengung

bei Netzinvestitionen, vor allem in teure Glasfaser, kaum möglich macht.

Entsprechend hinkt dort der Netzausbau hinterher. KPN kämpft im kleinen

niederländischen Markt mit einem beinharten Wettbewerb und kann deshalb

ebenfalls aus eigener Kraft keine großen Sprünge machen.

Bei den Schnäppchenjägern handelt es sich überwiegend um branchenerfahrene

Finanzinvestoren, die vor allem Infrastruktur als lukrative Geldanlage

betrachten. Deshalb haben etwa KKR bei Telecom Italia und auch EQT bei KPN den

großen Wurf gewagt und eine Übernahme der Unternehmen insgesamt angestrebt.

Dahinter stand der Plan, Service-Geschäft und Infrastrukturgeschäft zu trennen

und mit der Vermietung der Infrastruktur Geld für Investitionen einzutreiben.

Indes stößt auch diese Idee in Europa auf wenig Gegenliebe. Die Niederlande

haben den Vorstoß von EQT bereits blockiert, die italienische Regierung laviert

wie immer so lange, bis der potenzielle Investor KKR sein Gebot fallen lässt;

Giorgia Meloni, die Spitzenkandidatin der Rechtsaußenpartei Fratelli d'Italia,

die im Wahlkampf vorne liegt, liebäugelt offen mit einer Verstaatlichung von

TIM. Großbritannien hat den Einstieg des französischen Milliardärs Patrick Drahi

bei BT gebilligt, aber ein Stoppsignal gesetzt. Auf diese Weise kann es bei den

Unternehmen kaum vorangehen.

Unterdessen suchen Finanzinvestoren nach Alternativen, um mit Infrastruktur Geld

zu verdienen. Immer neue Fonds entstehen, die sich Telekom-Aktiva zusammenkaufen

oder direkt Glasfaser-Vehikel gründen. Für die Telekombranche kann das am Ende

auch teuer werden, wenn sie die Infrastruktur aus den Händen von Private Equity

teuer mieten oder zurückerwerben muss.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069-2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5306684

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