20.12.2021 20:30:38
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Prinzipien und Pragmatismus, Kommentar zur Bundesbank von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - Nun ist es also offiziell: Der frühere Bundesbank- und
Ex-KfW-Vorstand Joachim Nagel soll als Nachfolger von Jens Weidmann Präsident
der Bundesbank werden. Die Ampel-Koalition hat damit eine exzellente Wahl
getroffen. Entscheidend wird jetzt aber sein, dass Berlin Nagel in Europa auch
den Rücken stärkt und ihn, anders als Weidmann, nicht so oft im Regen stehen
lässt. Es muss darum gehen, die Europäische Zentralbank (EZB) - soweit noch
möglich - zu entpolitisieren.
Nagel bringt ohne Frage viele Eigenschaften mit, die ihn geradezu prädestiniert
erscheinen lassen für den Job: Als promovierter Ökonom und langjähriger
Marktverantwortlicher im Bundesbankvorstand verfügt der 55-Jährige über
reichlich volkswirtschaftliche und Finanzmarktexpertise. Zugleich weiß er als
Ex-KfW-Vorstand und Vize-Abteilungsleiter Banken bei der Zentralbank der
Zentralbanken BIZ bestens Bescheid über das Bankgeschäft. Und er kennt als
Eigengewächs die Bundesbank und auch das Eurosystem aus dem Effeff. Lange
Einarbeitungszeit wird er also kaum brauchen - was gut ist angesichts der
immensen Herausforderungen, vor denen die EZB steht.
Geldpolitisch hat Nagel fraglos die Bundesbank-DNA verinnerlicht, und er steht
folglich in der stabilitätsorientierten Tradition der Notenbank. Zugleich gilt
er als pragmatisch. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich Nagel nicht
einreiht in die Riege jener deutschen Notenbanker, die aus Frust über die
ultralockere EZB-Politik vorzeitig aufgegeben haben. Aber auch für Nagel wird es
sicher ein permanenter Spagat zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus. Die
strukturelle Mehrheit im EZB-Rat von Anhängern einer eher lockeren Geldpolitik
braucht jedenfalls dringend auch weiter ein starkes Korrektiv. Das gilt im
aktuellen Umfeld mit ernsten Inflationsgefahren. Und das gilt mit Blick auf
langfristige Weichenstellungen. Die jüngsten Beschlüsse des EZB-Rats zur
"Flexibilität" bei den Staatsanleihekäufen etwa lassen sich zugespitzt als
Dauerkontrolle der Euro-Anleiherenditen und mithin implizite Solvenzgarantie für
die Euro-Staaten interpretieren. Das steht aber nicht in Einklang mit dem
EU-Vertrag.
Mit der Renaissance der Inflation ist jetzt allerspätestens die Zeit gekommen,
dass die EZB aus der Rolle des Dauer-Ausputzers der Euro-Politik herauskommt und
sich wieder auf ihre Kernaufgabe Preisstabilität konzentriert. Dazu muss sich
auch Berlin ehrlich machen. Auch die deutsche Politik hat sich in den Krisen der
vergangenen Jahre nur allzu gerne hinter der EZB versteckt, um unliebsame
politische Entscheidungen zu vermeiden. Damit muss endgültig Schluss sein.
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