23.12.2019 18:46:40

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Pipeline-Politik / Kommentar zu den US-Sanktionen gegen Nord Stream 2

von Christoph Ruhkamp

Frankfurt (ots) - Das Ringen um Nord Stream 2 ist ein Kampf um

Wirtschaftsinteressen, der mit den Mitteln und unter dem Deckmantel staatlicher

politischer Macht ausgetragen wird. Die 10 Mrd. Euro teure Ostsee-Gaspipeline

von Russland nach Deutschland rückt derzeit auf der Liste der Konflikte zwischen

Berlin und Washington ganz nach oben. Schon lange kritisiert US-Präsident Donald

Trump den deutschen Handelsüberschuss oder den mit 40 Mrd. Euro zu niedrigen

Verteidigungshaushalt, der laut Nato-Vereinbarung fast doppelt so hoch ausfallen

müsste. Jetzt wirft er Deutschland vor, mit der Pipeline Europa zur Geisel

Russlands zu machen.

Russland liefert schon jetzt mehr als ein Drittel von dem Erdgas, das in Europa

verbraucht wird. Bald wird es mehr. 2.300 Kilometer Gasrohre sind schon verlegt.

Es fehlen nur noch 160 Kilometer an Nord Stream 2. Damit sie nicht fertig

werden, haben die US-Senatoren Ted Cruz und Ron Johnson dem Schweizer

Rohrverlegeschiff-Unternehmen Allseas vorerst erfolgreich gedroht. Die Arbeiten

ruhen - bis zu einer Einigung.

Die wird schwierig. In dem Konflikt sind viel Theaterdonner und viele

Täuschungsmanöver im Spiel. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet Nord Stream

2 als ein reines Wirtschaftsprojekt. Es wird zur Hälfte von den westlichen

Energiekonzernen Uniper, Wintershall, Shell, Engieund OMV finanziert. In

Wahrheit ist Nord Stream 2 nicht so unpolitisch wie behauptet: Russlands

Staatshaushalt ist von den Einnahmen aus dem Gasverkauf wohl ebenso abhängig wie

Deutschlands Heizungen vom Gas im Winter. Die Drohung damit, das Gas nicht in

Russland zu kaufen, sondern stattdessen aus den USA oder aus Katar per Tanker

anliefern zu lassen, wäre durchaus ein probates zusätzliches Mittel, um Russland

von Vorstößen wie der illegalen Annexion der Krim in Zukunft abzuhalten. Doch

das Interesse am billigen Gas überwiegt.

Die amerikanische Seite verhält sich indes nicht ehrlicher: Hinter den

US-Sanktionen gegen die am Pipelinebau beteiligten Unternehmen steckt nicht die

Sorge um Europas Abhängigkeit vom russischen Gas, sondern das Interesse der

US-Fracking-Industrie am Verkauf von teurerem Flüssiggas, das per Tanker nach

Europa geliefert würde. Die US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen sind

deshalb eine veritable Unverschämtheit. Gegensanktionen wären dennoch das

falsche Mittel, weil sie eine Kettenreaktion auslösen. Deutschland wird die

Sache aussitzen müssen. Es werden sich schon Unternehmen finden, die die

Pipeline fertig bauen.

(Börsen-Zeitung, 24.12.2019)

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