06.05.2020 20:24:41
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OTS: Börsen-Zeitung / Langfristige Schäden / Kommentar zur ...
Langfristige Schäden / Kommentar zur EU-Wachstumsprognose von Andreas
Heitker
Frankfurt (ots) - Die erste Konjunkturprognose der EU-Kommission seit Ausbruch
der Coronakrise bot auf den ersten Blick keine wirkliche Überraschung. Das Virus
hat sich an Konsumausgaben, Industrieproduktion, Investitionen, den globalen
Handel, an Kapitalströme und Lieferketten angedockt. Das EU-Wirtschaftswachstum
bricht in diesem Jahr daher so stark ein wie nie zuvor. Arbeitslosigkeit und
Staatsverschuldung springen in die Höhe. Die positive Nachricht aus Brüssel
lautete: Schon im zweiten Halbjahr könnte es wieder aufwärtsgehen. 2021 könnte
der Aufschwung das aktuelle Horrorjahr zumindest zum Teil wieder vergessen
machen.
Diese Prognose steht aber auf äußerst wackeligen Beinen und wird mit viel
Optimismus zusammengehalten. Denn die EU-Kommission geht in ihrer Vorausschau
davon aus, dass nach dem Ende des Lockdowns noch in diesem Quartal die Pandemie
unter Kontrolle bleibt, die beschlossenen politischen Gegenmaßnahmen wie geplant
greifen und es auch keine neue Finanzkrise gibt. Sollte der Kampf gegen das
Virus anders verlaufen, sollte es möglicherweise zu einer zweiten
Infektionswelle kommen, dürfte der Konjunktureinbruch aber noch weitaus stärker
ausfallen. Unsicherheiten und Abwärtsrisiken in dieser Prognose sind wohl so
groß wie nie zuvor.
Die Brüsseler Analyse wirft allerdings auch ein Schlaglicht auf zwei
Corona-Folgen, die weit über das Jahr 2021 hinaus gefährlich für die Eurozone
und die EU werden können: Zum einen vertieft die Krise das wirtschaftliche und
soziale Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten noch einmal erheblich. Die Zahlen
zeigen deutlich, wie unterschiedlich das Virus die einzelnen Länder trifft und
mit welcher Kraft sie dagegenhalten können. In Polen wird die
Wirtschaftsleistung 2020 nur um 4,3% zurückgehen. In Griechenland sind es 9,7%.
In Deutschland steigt die Arbeitslosenquote auf 4,0%, in Spanien auf 18,9%.
Trotz milliardenschwerer Hilfsprogramme halten 2020 sechs Euro-Länder die
Verschuldungsquote von 60% des Bruttoinlandsprodukts ein. Dagegen kommt Italien
auf kaum noch einzufangende 159%. Griechenland hat fast die 200-Prozent-Marke
erreicht. Diese Entwicklung legt die Lunte an die Währungsunion.
Hinzu kommt eine zweite Gefahr: der von der EU-Kommission festgestellte
drastische und nachhaltige Einstellungswandel gegenüber globalen
Wertschöpfungsketten. Die Wirtschaft der EU und der Eurozone hat von der
internationalen Zusammenarbeit immer profitiert. Auch hier könnte das
Coronavirus langfristigen Schaden anrichten.
(Börsen-Zeitung, 07.05.2020)
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