11.10.2022 20:12:38
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Hase und Igel, Kommentar zur Bank of England von Andreas Hippin
Frankfurt (ots) - Die Bank of England demonstriert gerade, wie man einer sich
anbahnenden Finanzkrise nicht begegnen sollte. Ihr Handeln kommt immer wieder zu
spät. Es ist zu zaghaft, und ihren Ankündigungen wird am Markt kein Glauben mehr
geschenkt. Was sich derzeit am Markt für langlaufende britische Staatsanleihen
(Gilts) abspielt, erinnert an das im Märchen von Hase und Igel beschriebene
Wettrennen. So sehr sich der stolze Hase auch abmüht, es tönt ihm doch stets das
"Ick bün all hier" des Igels entgegen, der sich ebenso wenig an die Regeln hält
wie viele Akteure am Finanzmarkt.
In der City war es ein offenes Geheimnis, dass viele britische Pensionsfonds den
finanziellen Hebel ansetzen, um ihren Finanzierungsstatus besser aussehen zu
lassen. Mit Hilfe von Derivaten lassen sich auch Mittel freisetzen, um mit
riskanteren Anlagen als inflationsgeschützten Staatsanleihen ein bisschen mehr
Rendite zu erwirtschaften. Als die Teuerungsrate immer neue Höhen zu erklimmen
begann, riet man Kunden deshalb häufig, lieber in inflationsgeschützte
US-Staatsanleihen (Tips) zu investieren. Denn Gilts werden vor allem von
britischen Pensionsfonds gehalten. Diese Konzentration bei den
Eigentumsverhältnissen birgt im Vergleich zu Tips ein unnötiges Risiko für
Anleger.
Als die Marktzinsen nach Vorstellung des Wachstumsplans der Regierung in die
Höhe schnellten, weil Schatzkanzler Kwasi Kwarteng die Gegenfinanzierung dabei
ausgespart hatte, wurde es schnell eng für große Fonds. Die Kurse von Gilts
gingen auf Talfahrt. Die Gegenparteien der Derivatgeschäfte stellten plötzlich
erhebliche Nachschussforderungen an die Pensionsfonds, die nicht über
ausreichend Liquidität verfügten und deshalb Gilts verkaufen mussten. Um zu
verhindern, dass sich dieser Teufelskreis noch schneller dreht, griff die Bank
of England schließlich mit der Ankündigung ein, Gilts mit Restlaufzeiten ab 20
Jahren in unbegrenztem Umfang zu kaufen.
Doch war die Stabilisierung am Markt von kurzer Dauer, stellte sich doch schnell
heraus, dass die Notenbank nur in weit geringerem Umfang als den zunächst
ermöglichten 5 Mrd. Pfund pro Tag Anleihen erwarb. Schnell bewegten sich die
Renditen der zehnjährigen Gilts wieder in Richtung ihres Hochs von Ende
September. Da half auch die nachgeschobene Mitteilung nicht, das tägliche Limit
auf 10 Mrd. Pfund zu verdoppeln. Die Ausweitung des Kaufprogramms auf
inflationsgeschützte Titel wird ebenso wenig helfen. Eine schnell ins Leben
gerufene Repo-Fazilität kann von den Pensionsfonds nicht direkt genutzt werden.
Und so eilt die Bank of England von Brand zu Brand, ohne zu löschen. Längst
glaubt kaum noch einer, dass das Anleihenkaufprogramm am Freitag auslaufen wird.
Viele Pensionsfonds werden gezwungen sein, weiter Assets abzuverkaufen, um ihre
Absicherungsgeschäfte aufrechtzuerhalten, egal wohin sich die Kurse entwickeln.
Verabschiedet sich die Bank of England tatsächlich von der Marktstabilisierung,
rauschen sie erst richtig ab.
Natürlich gäbe es auch die Möglichkeit einer geldpolitischen Antwort auf die
Sorgen der Igel vor einer ausufernden Staatsverschuldung. Aber die Geldpolitiker
der Notenbank sind noch zaghafter als ihre Finanzstabilitätshüter.
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