04.01.2022 19:09:50

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Falsches Signal, Kommentar zur Ampel-Koalition von Angela Wefers

Frankfurt (ots) - Mit der Brüsseler Entscheidung zur Atomkraft hat die

Ampel-Koalition in Berlin eine erste Kostprobe zum Umgang mit spannungsgeladenen

Themen bekommen. Die EU-Kommission will Atomkraft und Gas ein

Nachhaltigkeitssiegel für Finanzinvestoren verleihen. Den Grünen in der

deutschen Regierung passt das - wenig überraschend - in puncto Kernkraft

naturgemäß nicht. Mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck sowie

Umweltministerin Steffi Lemke taten sie ihre ablehnende Haltung umgehend nach

der Vorlage aus Brüssel kund. Wirklich ändern kann die Bundesregierung an dem

Brüsseler Beschluss aber nichts. Atomkraftkritische Länder sind im Europäischen

Rat in der Minderheit. Das Nachhaltigkeitssiegel wird kommen, unabhängig davon,

wie sich die Koalition in Berlin positioniert. Das schafft politisch eine

gewisse Erleichterung, denn ein erster Streit in der Koalition würde für ein

wenig aussichtsreiches Vorhaben geführt. Das lohnt sich nicht.

Gleichwohl wird sich Deutschland zu dem Kommissionsvorschlag zumindest

positionieren müssen. Offiziell wird der Plan aus Brüssel nun eingehend geprüft.

In Berlin wird aber schon kolportiert, dass die Bundesregierung nicht Nein

sagen, sondern nur das mildere Instrument der Enthaltung nutzen werde. Um nicht

in den Ruch der innerkoalitionären Blockade zu kommen, ist die mitgelieferte

Begründung eine europapolitische: Berlin will Frankreichs Präsident Emmanuel

Macron, der zugleich die EU-Ratspräsidentschaft innehat und vor dem Wahlkampf

steht, nicht in die Parade fahren. Dies lenkt auch praktischerweise davon ab,

dass die Enthaltung üblicherweise das probate Mittel uneiniger Koalitionen ist.

Die Ampel zieht sich - noch - elegant aus der Affäre.

Hinter der Entscheidung aus Brüssel wird ein tieferliegendes Problem deutlich.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss die neue Ampel einen praktikablen Weg

aufzeigen, wie sie den zusätzlichen Strombedarf eines elektrifizierten

Industrielandes decken will. Es reicht nicht, gegen etwas zu sein. Die stabile

Grundlastversorgung ist mit Wind und Sonne nicht gesichert. Der Weg zur

Produktion mit klimafreundlichem Wasserstoff ist möglich, aber noch weit.

Realität ist, dass Deutschland aus dem Atomenergie-Land Frankreich deutlich mehr

Strom importiert als exportiert. Nicht zuletzt ist die klimapolitisch richtige

CO2-Abgabe ein Kostentreiber. Die Inflation trifft auch die Bevölkerung in der

Breite. Die Koalition muss sich handlungsfähig zeigen. Enthaltung ist dafür kein

Signal.

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