11.12.2020 20:26:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Die EZB-Zinskontrolle, Marktkommentar von Kai Johannsen
Die EZB-Zinskontrolle, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Ratssitzung am
Donnerstag in Sachen Krisenbekämpfung ordentlich nachgelegt. Die Anleihekäufe im
Rahmen des Pandemic Emergency Purchase Programme PEPP) wurden um 500 Mrd. Euro
auf 1,85 Bill. Euro ausgeweitet. Die Käufe sollen bis mindestens März 2022
fortgesetzt werden, nachdem bislang Mitte 2021 vorgesehen war. Mancher
Marktteilnehmer reagierte zunächst enttäuscht, denn mitunter wurde noch mehr
erwartet. EZB-Chefin Christine Lagarde erklärte zwar, dass das Programm nicht
vollends ausgeschöpft werden müsste. Aber im Fall der Fälle könnte es eben auch
aufgestockt werden. Das erhält im Markt die Spekulationen am Leben, dass
womöglich nachgelegt wird.
Was es aber in sich hatte, waren die Verlautbarungen von Lagarde, und diese
werden für die Märkte weitreichend sein. "Lagardes mehrfache Betonung, dass das
Hauptziel der EZB darin besteht, 'günstige Finanzierungsbedingungen zu
erhalten', wobei man 'flexibel gemäß den Marktbedingungen kaufen wird', kommt
einer expliziten Zinskurvenkontrolle sehr nahe, welche die EZB gemäß EU-Vertrag
nicht ausüben dürfte", sagt Christoph Rieger, der bei der Commerzbank das Zins-
und Credit Research leitet. Aus dem PEPP wird PFFC (preserve favourable
financing conditions).
EZB absorbiert alles
Was die tatsächlichen Zahlen betreffe, würde die durchschnittliche monatliche
Kaufrate für PEPP und APP (Asset Purchase Programme) zusammen bis März 2022 bei
92 Mrd. Euro liegen. Das entspreche dem Tempo, mit dem die EZB seit August
unterwegs sei. "Es würde auch immer noch ausreichen, um in etwa das gesamte
Nettoangebot an Staatsanleihen der Eurozone zu absorbieren, das wir für nächstes
Jahr erwarten", so Rieger. Und das ist schließlich ein nicht ganz unerhebliches
Volumen, wenn man bedenkt, dass die Staaten im Kampf gegen die Pandemie und die
wirtschaftlichen Beeinträchtigungen enorme Kraftanstrengungen in Sachen
Refinanzierungen zu bewältigen haben.
Die EZB werde nicht müde zu betonen, dass die Zinsen weiter gesenkt werden
könnten. Lagarde unterstrich explizit die Forward Guidance, wonach die EZB die
Zinsen 'auf ihrem derzeitigen oder niedrigeren Niveau' sieht. Da Zinssenkungen
zumindest in den nächsten drei Jahren wahrscheinlicher seien als Zinserhöhungen,
sollte das vordere Ende der Zinskurve gut verankert und die Kurve über diesen
Zeitraum invertiert bleiben. "Die EZB macht mit ihrer Renditekurvenkontrolle
Ernst, und selbst die etwas niedrigeren monatlichen Käufe bedeuten, dass sie
wohl das gesamte Nettoangebot an Staatsanleihen der Eurozone im nächsten Jahr
absorbieren wird", so Rieger.
Und was heißt das für die Märkte? Für den Staatsanleihenmarkt der Eurozone sind
die Aussichten sonnenklar. Renditeanstiege sollte man für die Zeit des PEPP
besser nicht erwarten. Denn es ist ja gerade das erklärte Ziel, die Zinsen im
Kampf gegen die Wirtschaftsmisere niedrig zu halten und damit die
Finanzierungsbedingungen für Institutionen. Das bedeutet, dass Staaten weiter zu
niedrigen Zinsen Kredit aufnehmen können. In vielen Ländern wird die
Renditestrukturkurve über weite Laufzeitenbereiche im Minus liegen. Bei den
meisten Ländern ist das schon im Laufzeitenband von zwei bis zehn Jahren der
Fall. Jüngst gesellte sich zu diesem Kreis auch noch Portugal dazu. Am Freitag
wurde Spaniens Zehnjahressatz erstmals negativ. Die Jagd der Anleger nach
Rendite wird weitergehen. Das Crowding-out der Investoren ebenfalls, was die
Anleger in noch längere Laufzeiten drängt oder in schlechtere Bonitäten mit dem
Ergebnis, dass auch in diesen Segmenten (Laufzeiten und Ratings) die
Bondrenditen weiter nach unten gehen, Ein Prozess, der nun schon Jahre zu
beobachten ist.
Und was bedeutet es für Europas Aktien? Der Zentralbanken-Put ist nochmals
größer geworden, und das wurde er auch schon in den vergangenen Jahren. Im
Ergebnis legten die Aktien aufgrund dieser von den Zentralbanken initiierten
Liquiditätsflut deutlich zu. Man sollte sich darauf einstellen, dass die
Performance der Aktien somit auch 2021 recht gut sein wird. Der EZB sei Dank. Es
bleibt aber ein Unsicherheitsfaktor, und dieser heißt Defaults.
Insolvenzanmeldungen werden vielerorts vor sich hergeschoben. Doch das kann
nicht ewig so weitergehen, irgendwann muss ein Unternehmen erklären, ob es nun
überleben kann oder nicht. Und dann wird sich zeigen, welches Ausmaß die
wirtschaftliche Katastrophe annimmt. Da wird noch der eine oder andere vom
Kurszettel verschwinden und sicher nicht mit enormen Kursgewinnen.
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