17.03.2022 19:50:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Das Fanal, Kommentar zu Thyssenkrupp von Annette Becker
Das Fanal, Kommentar zu Thyssenkrupp von Annette Becker
Frankfurt (ots) - Mit Thyssenkrupp zollt der erste namhafte deutsche Konzern den
aktuellen Ereignissen Tribut: Die Prognose für den laufenden Turnus wird
zumindest in Teilen ausgesetzt. Der Grund: die unabsehbaren Folgen des
Ukraine-Kriegs. Hatten die europäischen Stahlaktien nach dem Beginn der Invasion
Russlands im Nachbarland zunächst noch von der sich absehbar verschärfenden
Stahlknappheit profitiert, zeigte sich recht schnell, dass diese
Milchmädchenrechnung nicht aufgehen wird. Steigende Rohstoffpreise werden
zunehmend zur Kostenfalle. Zugleich verschärft der Krieg die
Lieferkettenprobleme. Das schlägt sich bei Thyssenkrupp in den Stahl- und
Autozuliefergeschäften nieder.
Eines größeren geschäftlichen Engagements in der Kriegsregion bedarf es dafür
nicht. Den dortigen Anteil am Konzernumsatz beziffert Thyssenkrupp auf "deutlich
unter 1 %". Dennoch sind die Kriegsfolgen schon nach drei Wochen zu spüren,
allen voran die steigenden Rohstoffkosten, die mit dem Aufbau im Working Capital
einhergehen. Das nagt am Liquiditätspolster.
Folgerichtig kassiert Thyssenkrupp die Prognose hinsichtlich des freien Cashflow
vor M&A. Eigentlich wollten die Essener dem jahrelangen Geldverbrennen in diesem
Geschäftsjahr endlich ein Ende setzen. Daraus wird nun mutmaßlich wieder nichts.
Was das letztendlich für das Dividendenversprechen bedeutet, bleibt - wie so
vieles in diesen Tagen - offen.
Damit sind die schlechten Nachrichten jedoch noch nicht erschöpft. Denn auch der
für die Stahlsparte geplante Spin-off wird auf Eis gelegt. Eine Aussage zur
Machbarkeit lasse sich im gegenwärtigen Umfeld nicht treffen. Das liegt
vermutlich auch daran, dass die für die Verselbständigung der Stahlsparte
erforderlichen Förderzusagen aus der Politik auf sich warten lassen. In Brüssel
und Berlin werden derzeit aus gutem Grund andere Themen wie die
Versorgungssicherheit priorisiert. Ohne finanzielle Zusage aber kann sich
Thyssenkrupp nicht auf den Weg der Transformation zu grünem Stahl begeben. Der
aber wäre Voraussetzung für die Abspaltung.
Den geplanten Börsengang des Elektrolysegeschäfts Nucera thematisiert
Thyssenkrupp erst gar nicht. Wegen des volatilen Marktumfelds ist ein IPO
derzeit jedoch höchst unwahrscheinlich.
Es verwundert wenig, dass es in der neuen Krise ohnehin angeschlagene Firmen als
Erstes erwischt. Dennoch sollte die verkappte Gewinnwarnung von Thyssenkrupp
durchaus als Fanal für die deutsche Industrie verstanden werden.
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