23.08.2018 20:16:41

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Börsen-Zeitung: Weidmanns Pech / Kommentar von Claus Döring zur

Draghi-Nachfolge

Frankfurt (ots) - Jens Weidmann würde gerne im Oktober 2019

Nachfolger von Mario Draghi als Präsident der Europäischen

Zentralbank (EZB) werden. Dieses Amt hat er nie öffentlich für sich

gefordert, doch der Wunsch ergibt sich schon aus Weidmanns

Amtsverständnis als Präsident der Bundesbank. Ein Geldpolitiker mit

Leib und Seele wie Weidmann, der Notenbankchef der größten

Volkswirtschaft in der Eurozone ist, muss geradezu danach streben,

seine geldpolitischen Vorstellungen dort umsetzen zu können, wo man

dies seit Einführung der Gemeinschaftswährung am wirkungsvollsten

kann: an der Spitze der EZB.

Als ehemaliger Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela

Merkel weiß Weidmann aber auch, dass die Besetzung hoher europäischer

Ämter machtpolitische Entscheidungen sind, bei denen nationaler

Proporz und Einflussmöglichkeiten mehr zählen als fachliche Exzellenz

und Loyalität. Und deshalb liegt Brüssel zwar nicht geografisch, aber

politisch Berlin näher als Frankfurt. Denn in Brüssel geht es im

nächsten Jahr um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident

der EU-Kommission. Dieses Amt bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten

und ist für die Zukunft der EU und damit auch für die politischen

Verhältnisse in Deutschland allemal wichtiger als der

Präsidentenposten einer Institution, die formal unabhängig ist und

nur begrenzt politisch zu steuern ist.

Der Chef der EU-Kommission kann dagegen sogar weltpolitisch etwas

bewirken, wie sich zuletzt beim Treffen von Juncker und US-Präsident

Donald Trump zeigte. Auf diesen Posten endlich einen Deutschen und

möglicherweise politisch Vertrauten entsenden zu können, hätte

folglich für die Bundeskanzlerin mehr Reiz, als den

Bundesbankpräsidenten an die EZB-Spitze zu befördern. Pech für

Weidmann, dass nur bei einer der beiden Spitzenpersonalien ein

Deutscher zum Zug kommen dürfte - wenn überhaupt.

Dass Regierungsviertel und Bundesbankzentrale mehr als die

geografische Entfernung trennen, ist nicht neu. Helmut Schmidts

Kritik an der Bundesbankpolitik ist ebenso legendär wie Helmut Kohls

Missachtung der Bundesbankwarnungen vor der deutsch-deutschen

Währungsunion und der späteren Euro-Einführung. Für die Bundesbank

und die Anhänger ihrer geldpolitischen Grundsätze wäre es nach den

geldpolitischen Zumutungen der Ära Draghi nun ein weiterer

Tiefschlag, würde die Bundesregierung wie schon seinerzeit Axel Weber

jetzt auch Jens Weidmann die Unterstützung für den Wechsel an die

EZB-Spitze versagen.

(Börsen-Zeitung, 24.08.2018)

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