22.06.2017 20:35:40

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Börsen-Zeitung: Wackliger Riese, Kommentar zu Thyssenkrupp von

Christoph Ruhkamp

Frankfurt (ots) - Für Heinrich Hiesinger wird es langsam eng. Der

Vorstandschef von Thyssenkrupp muss immer mehr Einfallsreichtum

zeigen, um den eigenkapitalschwachen Konzern einigermaßen in der

Balance zu halten und den Umbau schnell genug vorantreiben, damit die

bilanzielle Schwäche nicht offenbar wird. Deshalb jagt ein

Kostensenkungsprogramm das nächste. Nach der Stahlsparte, die ihre

Kapitalkosten nicht verdient und eine halbe Milliarde Euro einsparen

soll, ist nun der schwächelnde Anlagenbau dran, der die Kosten um

eine Viertelmilliarde drücken muss.

Das verstärkt den Eindruck, dass Thyssenkrupp - trotz

zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen über Milliardenaufträge für

Kriegsschiffe und für elektrische Lenkungen in teilautomatisierten

Autos - beim Umbau des Traditionsunternehmens zum modernen

Industriekonzern nur langsam vorankommt. Trotz guter Konjunktur wird

das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr erstmals seit vier Jahren

- wegen der Abschreibung auf das verkaufte Brasilien-Stahlwerk -

unter dem Strich wieder deutlich rote Zahlen schreiben und erwartet

einen Mittelabfluss im operativen Geschäft in dreistelliger

Millionenhöhe.

Es gibt zwar auch Lichtblicke: Weil das Geschäft mit Aufzügen und

Automobilkomponenten ganz gut läuft, legt der operative Konzerngewinn

laut Prognose auf 1,8 Mrd. Euro zu. Das ist aber auch bitter nötig:

Die Schulden sind mit 5,8 Mrd. Euro zweieinhalbmal so groß wie das

Eigenkapital. Den Konzern drücken enorme Pensionslasten.

Die Anzeichen für eine besorgniserregende bilanzielle Schwäche

waren zeitweise so virulent, dass Hiesinger sich vor einigen Monaten

gezwungen sah, öffentlich zu negieren, dass der Konzern eine

Kapitalerhöhung bräuchte. Während der mit knapp 20 Prozent am Konzern

beteiligte Finanzinvestor Cevian wohl mitziehen würde, blockiert die

mit einer faktischen Sperrminorität von 23 Prozent beteiligte

Krupp-Stiftung bisher einen solchen Schritt, weil sie ihn sich nicht

leisten kann und in Folge an Einfluss verlieren würde. Dabei hatte

die Hauptversammlung 2014 den Vorstand ermächtigt, das Grundkapital

bis 2019 um bis zu 3,7 Mrd. Euro zu erhöhen, sofern der Aufsichtsrat

zustimmt.

Am Kapitalmarkt scheinen die Investoren weiter daran zu glauben,

dass Hiesinger den Konzern auch ohne Kapitalspritze wieder

flottmacht. Die Marktkapitalisierung hat sich binnen fünf Jahren

verdoppelt auf 14 Mrd. Euro. Viel hängt jetzt von der Konjunktur ab.

Einen Abschwung kann sich Thyssenkrupp nicht leisten.

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