23.11.2017 20:36:40
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Börsen-Zeitung: Vor der Zeitenwende, Kommentar zu Thyssenkrupp von
Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Trotz heftigem Gegenwind hält Thyssenkrupp-Chef
Heinrich Hiesinger den Kurs beim mühsamen Umbau des Konzerns. Nach
dem Verkauf des Skandal-Stahlwerks in Brasilien, das eine breite
Blutspur in der Bilanz hinterlassen hat, und nach der
milliardenschweren Kapitalerhöhung kann der Konzern mit einer
stärkeren Eigenkapitalausstattung als finanziell stabilisiert gelten.
Doch während das Gesamtunternehmen in kleinen Schritten in die
richtige Richtung vorankommt, bleiben die Schwachstellen
unverkennbar: Da ist der Chemieanlagenbau, dessen operativer Gewinn
nach einer langen Auftragsflaute um zwei Drittel eingebrochen ist.
Und da sind die Korruptionsrisiken im Kriegsschiffbau, dessen
Finanzchefin gerade die Sparte verlässt.
Im Vergleich zur Stahlfusion sind das jedoch die kleineren
Probleme: Der für Anfang 2018 geplante Zusammenschluss der
Stahlsparte mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata
Steel soll die Zeitenwende bringen. Nach der Trennung von diesem
zyklischen Geschäft könnte Thyssenkrupp mit den lukrativen Sparten
für Aufzüge und Automobilkomponenten als Technologieunternehmen
gelten. Dann würden am Kapitalmarkt neue Bewertungsmaßstäbe angelegt,
die den Aktienkurs voraussichtlich nach oben treiben.
Für die Stahlfusion braucht Hiesinger jedoch einen Kompromiss mit
den Gewerkschaftern der IG Metall, die im montan-mitbestimmten
Aufsichtsrat die Hälfte der Mitglieder stellen. Welche Punkte
verhandelt werden, ist klar: Es geht um Zusagen für Beschäftigung,
Investitionen und Standorte - "für ein Jahrzehnt". Hier wird der
Konzern den Arbeitnehmern wohl tatsächlich Zugeständnisse machen, um
eine Kampfabstimmung zu verhindern.
Etwas anders sieht es bei der Ausstattung des Joint Ventures mit
6,5 Mrd. Euro Schulden aus, davon 4 Mrd. Euro von Thyssenkrupp. Diese
Beträge sind mit dem Fusionspartner Tata schon ausverhandelt und
führen dazu, dass jeder der beiden Partner 50 Prozent der Anteile
hält. Nur so kann Thyssenkrupp die Stahsparte samt Schulden
entkonsolidieren und die erwünschten Bilanzeffekte erzielen. Also
darf daran nicht gerüttelt werden.
Einen Kompromiss, der für die Gewerkschafter aber bestenfalls
gesichtswahrend wäre, wird es wohl beim Holding-Sitz geben. Er muss
in Amsterdam sein, damit sich Tata nicht als Verlierer fühlt.
Nebenbei gibt es dort keine Montanmitbestimmung und Thyssenkrupp
spart Steuern. Damit die Gewerkschafter zustimmen, dürfte man ihnen
ergänzende Informationsrechte als Trostpflaster versprechen.
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