29.06.2018 19:46:40
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Börsen-Zeitung: US-Kurve vor der Inversion / Kommentar zum Bondmarkt
und der Zinsstruktur von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - Die US-Zinsstrukturkurve flacht immer weiter ab.
Betrachtet wird der Abstand zwischen den zwei- und zehnjährigen
US-Staatsanleiherenditen und die Veränderung dieses Renditeabstands
im Zeitablauf, um daraus Schlussfolgerungen für realwirtschaftliche
Entwicklungen abzuleiten. Derzeit liegt der Renditeabstand im
genannten Laufzeitenbereich noch gerade einmal bei etwas mehr als 30
Basispunkten, die zehnjährige US-Rendite liegt bei gut 2,80%. Dies
ist der geringste Renditeabstand - die Kurve also auf dem flachsten
Niveau - seit dem Jahr 2007. Allein in den vergangenen zwei Monaten
ist der Abstand um gut 15 Basispunkte gesunken, die Kurve hat sich
also um dieses Ausmaß verflacht. Das ist schon ordentlich.
Eine flacher werdende Kurve der US-Staatsanleiherenditen
signalisiert in der Lesart der Märkte eine sich abkühlende
Wirtschaft. Eine komplett flache Kurve liegt vor, wenn die Renditen
der zwei- und zehnjährigen US-Staatsanleihen auf dem gleichen Niveau
liegen. Davon ist der Markt also nicht mehr weit entfernt. Sollte
sich dieser Trend darüber hinaus fortsetzen, kommt es zur sogenannten
Inversion der Zinskurve, d. h., die langfristigen -
zehnjährigen - Marktzinsen liegen damit unter den kurzfristigen -
zweijährigen - Marktrenditen. Die Formation der Zinsstrukturkurve
hat in der Vergangenheit verlässlich Signale bezüglich der
konjunkturellen Entwicklung gegeben. Eine Kurveninversion
signalisierte den Marktteilnehmern eine spätere Rezession. Sie folgte
für gewöhnlich rund zwei Jahre nach dem Einsetzen der
Kurveninversion. Der Markt könnte also bald dieses Signal geben.
Recht stetig bewegt sich die Kurve nämlich auf diese Inversion zu.
Das deckt sich mit anderen Marktgegebenheiten. Viele
Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed ihren
Normalisierungskurs in der Geldpolitik in den kommenden Monaten
fortsetzt. Dafür sind die Statements aus den Reihen der
US-Notenbanker viel zu unmissverständlich. So gehen die
Bondmarktakteure davon aus, dass dies auch die Zinsen am Markt weiter
nach oben treiben wird. In den vergangenen Tagen haben Umfragen
gezeigt, dass die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die
zehnjährige US-Staatsanleiherendite weiter steigen wird.
Auch am kurzen Ende werden weitere Steigerungen einkalkuliert. Es
gibt jedoch auch ein großes Aber, das mit angeführt wird. Viele
Akteure halten es für wahrscheinlich, dass die Fed mit ihrem
Normalisierungskurs übers Ziel hinausschießen wird, d. h., dass
sie die Leitzinsen im Urteil der Märkte zu stark anhebt und sie damit
die im Juli 2009 begonnene Expansion der US-Wirtschaft abwürgt. Der
Handelsstreit und eine Eskalation desselben kommen als
Belastungsfaktor für die US-Konjunktur hinzu.
Sollte es genau dazu kommen, müsste die Fed wieder gegensteuern,
womöglich schon bevor sie sich in Sachen Zinssenkungsspielraum
genügend Pulver bereitgelegt hat. Denn wenn die Wirtschaft abflauen
sollte - das deutet die flachere Zinskurve an - oder wenn die
Wirtschaft gar in den Rezessionsmodus übergeht, werden die
US-Zentralbanker mit Zinssenkungen der Wirtschaft zur Seite springen
müssen. Genau darauf stellen sich Marktteilnehmer bei einer inversen
Kurve ein: Auf längere Sicht sinken die Zinsen wieder, der
Anleihemarkt nimmt diese Entwicklung vorweg, und zwar in Form der
inversen Kurve.
Eine abflauende Wirtschaft oder gar eine US-Rezession bekommen
auch die Unternehmen und Haushalte in der Eurozone über die
internationalen Wirtschaftszusammenhänge zu spüren. Eine flaue
US-Wirtschaft impliziert einen schwächeren Dollar. Waren der
europäischen Firmen werden bei einem stärkeren Euro für Adressen im
Ausland somit teurer. Die Exporte europäischer Firmen in die USA
neigen somit zu Rückgängen. Das bedeutet weniger Umsatz für
Unternehmen. Das erhöht den Kostendruck und schmälert in der Tendenz
die Gewinne. Die Konjunktur neigt dann auch in der Eurozone zur
Schwäche. Die erste Leitzinserhöhung in der Eurozone nach der
Staatsschuldenkrise würde sich damit weiter in Ferne verschieben.
Auch aus der Eurozone kommen Signale, dass die Wirtschaft
zumindest nicht mehr auf Hochtouren läuft. So ging in der
abgelaufenen Woche der Ifo-Geschäftsklimaindex zurück. Das hat zwar
noch keine besorgniserregenden Ausmaße angenommen, sollte aber auch
nicht völlig ausgeblendet werden. Damit stehen die Zeichen in der
Eurozone auch nicht auf stark steigende Marktzinssätze. Auch das ist
an den Bundrenditen ablesbar. Sie weisen eher gen Süden als gen
Norden.
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