30.06.2015 20:55:39

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Börsen-Zeitung: Stolz und Vorurteil, Kommentar zu Griechenland von

Detlef Fechtner

Frankfurt (ots) - Die Griechenland-Saga erinnert an Geschichten,

wie sie sich vor zwei Jahrhunderten die britische Edelfeder Jane

Austen ausgedacht hat. Denn deren Bestseller - "Verstand und Gefühl"

oder "Stolz und Vorurteil" - handeln vom steten Wechsel zwischen

Annäherung und Brüskierung - im Kern also von Akteuren, die sich im

Spannungsfeld gestelzter Distanz und partnerschaftlicher Abhängigkeit

schwer miteinander tun. Ziemlich so wie Griechenland und seine

Euro-Partner.

Spätestens der gestrige Tag hat davon Anschauungsunterricht

gegeben: Im Stundentakt schlug eine Seite etwas vor und die andere

etwas aus. Dabei drängte sich der Eindruck auf, dass es längst nicht

mehr um die Frage geht, was für Bürger und Volkswirtschaften gut ist.

Sondern darum, was den handelnden Personen in der ersten Reihe hilft,

ihr Gesicht zu wahren und die Schuld fürs Scheitern auf der anderen

Seite des Verhandlungstischs abzuladen. Kurzum: Der gestrige Tag

schien vom Wettlauf geprägt, selbst das letzte Angebot vorzulegen, um

den Gesprächspartner als Neinsager bloßzustellen und den Schwarzen

Peter noch rasch weiterzureichen.

Tragischerweise ist damit zu rechnen, dass es auch beim Referendum

am Sonntag - wenn es denn tatsächlich stattfinden sollte - nicht um

rationale Argumente für einen Verbleib im Euro oder gegen

Sparauflagen der Kapitalgeber geht, sondern ebenfalls um Gefühle. Um

viel Stolz. Und um viele Vorurteile.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat daher völlig recht,

wenn er sich an die Bürger in Hellas wendet und sie auffordert, gegen

die Empfehlung ihrer Regierung zu stimmen. Wer darin eine unlautere

Einmischung in innere Angelegenheiten des griechischen Volkes

entdeckt oder sich gar über mangelnden Respekt vor Griechenland

beschwert, hat das Prinzip demokratisch verfasster Staaten

missverstanden. Selbstverständlich dürfen die Griechen entscheiden,

ob sie im Euro bleiben oder zur Drachme zurückkehren. Aber jedem

Euro-Partner ist es unbenommen, Ratschläge zu machen oder Warnungen

auszusprechen - erst recht, um manche schrägen Darstellungen der

Athener Regierung geradezurücken. Immerhin hat die ganze Sache ja

erhebliche Auswirkungen auf alle anderen Europäer.

Anders ausgedrückt: Wer findet, dass das alles eine ausschließlich

griechische Angelegenheit ist, der darf nicht andererseits ständig

milliardenschwere Solidarität einfordern. Schließlich ist Solidarität

nichts anderes als eine besonders massive Form der Einmischung.

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