29.07.2019 20:36:40

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Börsen-Zeitung: Kaeser sollte an Bord bleiben, Kommentar zu Siemens

von Michael Flämig

Frankfurt (ots) - Das Siemens-Personalkarussell dreht sich in

dieser Woche mit hoher Geschwindigkeit. Am Montag musste bei der

Medizintechnik-Tochter der Vorstand für Labordiagnostik seinem

Abschied zustimmen, und am Mittwoch wird der Mutterkonzern Siemens

wohl die Trennung von seiner Personalvorständin auch offiziell

annoncieren. Dies sind bedeutsame Weichenstellungen, keine Frage.

Viel wichtiger für die Konzernstrategie ist jedoch, ob der

Aufsichtsrat den Vertrag des Vorstandschefs Joe Kaeser über das Jahr

2021 hinaus verlängert. Er sollte es tun, und zwar schnell.

Voraussetzung ist, dass Kaeser nochmals in den Ring steigen will.

Ein 62-Jähriger muss sich derlei gut überlegen. Nur: Kaeser kann kein

Interesse daran haben, ein Flickwerk zu hinterlassen. In diesem

Zustand aber befindet sich aktuell das Konglomerat. Die

Transformation läuft, aber eben nicht von allein. Das

Kraftwerksgeschäft gilt es auf eigene Beine zu stellen, für die

Bahntechnik wird eine strategische Lösung gesucht, und die beiden

industriellen Kernsektoren stehen vor einer Umwälzung ihres

operativen Geschäfts.

Ginge Kaeser im Jahr 2021, nähme er einen ramponierten Ruf mit:

Noch ist die Transformation kein nachweisbarer Erfolg. Die operative

Marge stagniert, der Cash-flow schwächelt. Die skeptische Bewertung

im Aktienmarkt ist Resultat dieses Zustands. Doch die Chancen sind

gut, dass diese Misserfolge lediglich Ausdruck einer Übergangsphase

sind. Die Ernte steht bevor.

Was soll's, kann man nun sagen: Jeder ist ersetzbar, also können

andere Manager das Werk vollenden. Stimmt generell, aber in diesem

Fall ist es falsch.

Denn Kaeser ist Spiritus Rector der Transformation in einem

Ausmaß, das kaum zu überschätzen ist. Er hat zudem Autorität und

Durchgriffsmacht. Sein Abschied ließe die strategische Positionierung

instabil werden. Daran kann der Aufsichtsrat kein Interesse haben.

Dieser hat schließlich mitentschieden, das Konglomerat aufzulösen.

Nun muss dies so reibungslos wie möglich geschehen. Nicht zu

vergessen ist: Die Transformation verkommt zur L'art pour l'art, wenn

das industrielle Kerngeschäft nicht per Übernahme verstärkt wird.

Auch dies muss Kaeser vor seinem Abschied leisten, um sein Werk zu

krönen.

Je schneller der Aufsichtsrat handelt, umso besser. Dies gilt auch

für die zu besetzende Stelle an der Spitze der neuen

Energie-Gesellschaft von Siemens, die sich in einen Dax-Wert

verwandeln wird. Ein Projekt dieser Größenordnung im Führungsvakuum

vor sich hin trudeln zu lassen, ist unverantwortlich. Genau dies

geschieht aber zur Zeit.

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