28.11.2014 20:49:47
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Börsen-Zeitung: Kampf um den Ölmarkt, Kommentar von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Zeitenwende, das Ende der Organisation Erdöl
exportierender Länder (Opec) als Machtfaktor oder gar neue
Weltordnung bei Öl: Die Einschätzungen der Folgen der
Opec-Entscheidung vom Donnerstag durch Analysten fallen aktuell recht
drastisch aus. Drastisch waren aber auch die Marktreaktionen auf den
Beschluss des Kartells, die für die Opec-Mitglieder verbindlichen
Produktionsobergrenzen trotz der deutlichen Überversorgung des
Marktes nicht zu senken. In der Folge sackte der Brent-Ölpreis um
mehr als 6% ab, er nähert sich mittlerweile der Marke von 70 Dollar
je Barrel. US-Leichtöl verzeichnete gar in der Spitze einen
Preisrutsch von gut 8%. Die Schockwellen der Opec-Entscheidung gehen
weit über den Ölmarkt hinaus: Unter die Räder kamen Aktien aus dem
Öl- und Gassektor, der entsprechende europäische Stoxx-Branchensektor
steht inzwischen um rund 7% unter dem Stand von vor der
Opec-Entscheidung. Der OSX Index, in dem die US-Ölservicefirmen
vertreten sind, brach seither um fast 12% ein.
Rubel hart betroffen
Hart getroffen wurden auch die Währungen der Ölländer - allen
voran der Rubel, der gegenüber dem Greenback auf ein Rekordtief sank:
Der Dollar legte gegenüber Russlands Währung seit der
Opec-Entscheidung um knapp 7% zu. Der Rubel hat seit Mitte Juni fast
30% eingebüßt. Der stark rohstoffabhängige Moskauer Aktienmarkt
verzeichnete ebenfalls kräftige Verluste. Anhaltend schwach zeigen
sich ferner der kanadische Dollar und die norwegische Krone, die seit
Juni um 12% nachgegeben hat.
Selbst der amerikanische Markt für Hochzinsanleihen ist betroffen.
Rund ein Drittel der notleidenden Anleihen aus diesem
Bondmarktsegment stammen bereits aus dem Energiesektor. Die
durchschnittliche Rendite von High-Yield-Anleihen aus dem
Energiesektor ist aber schon zuvor von 5,7% auf 7,3% gestiegen. Da
neben Hochzinsanleihen auch Bankkredite eine wichtige
Finanzierungsquelle der US-Schieferölproduzenten sind, können sich
amerikanische Großbanken auf umfangreiche Kreditausfälle einstellen.
Aber weisen die jüngsten Beschlüsse der Opec wirklich auf eine
Zeitenwende, eine neue Weltordnung oder den totalen Machtverlust der
Opec hin? Dafür würde sprechen, dass sich der Markt auf der
Angebotsseite stark verändert hat. Die Förderung außerhalb der Opec
nimmt stark zu. So machen inzwischen mit den USA und Russland gleich
zwei Länder Saudi-Arabien den Titel des weltgrößten Ölförderers
streitig. Die Opec produziert gerade noch ein Drittel des weltweit
verfügbaren Rohöls - mit sinkender Tendenz. Die amerikanischen
Schieferölproduzenten haben das Kartell als Machtzentrum bereits
abgelöst, meinen US-Analysten.
Allerdings gibt es auch gute Argumente, die gegen diese Sichtweise
sprechen. So bedeutet die Abwesenheit einer Reaktion der Opec nicht
unbedingt, dass diese ihren alten Anspruch, den Ölpreis zu
kontrollieren, aufgegeben hat. Ganz im Gegenteil: Die Saudis legen
sich gerade mächtig ins Zeug, um die Kontrolle über den Marktpreis
wiederherzustellen. Und wie es aussieht, dürfte ihnen dies auch
gelingen. Viele US-Schieferölproduzenten geraten nämlich schon beim
gegenwärtigen Preisniveau erheblich unter Druck. Nach einer Studie
von J.P. Morgan waren in den zwölf größten US-Schieferöl-Lagerstätten
80% der Produktion bei einem Preis von 80 Dollar nur marginal
profitabel. Inzwischen dürfte sich die Lage für viele dieser
Produzenten weiter verschlechtert haben. Die Zahl der neu in Betrieb
gehenden Förderanlagen - bei Schieferöl müssen die Förderstellen
relativ häufig gewechselt werden - ist bereits rückläufig. Einige
Beobachter sprechen auch von einer Fremdfinanzierungs-Bubble im
US-Schieferölsektor, die jetzt zu platzen drohe. Die steigenden
Finanzierungskosten erschweren die Situation für die Unternehmen
zusätzlich.
Hohe Devisenreserven
Wie es scheint, ist der Angriff der Saudis auf die
US-Schieferölproduzenten gut vorbereitet und klug vorgetragen. Dank
ihrer immensen Devisenreserven sind die Saudis für eine längere Zeit
in der Lage, einen Ölpreis von 60 Dollar zu überstehen - im Gegensatz
zu ihren US-Konkurrenten. Zwar gibt es in der Opec Uneinigkeit, auf
mittlere Sicht werden aber auch die Opec-internen Gegner der Saudis
wie etwa Venezuela von den dann wieder steigenden Preisen
profitieren. Damit dürfte die Opec, zumindest wenn sie sich der
Kooperation anderer wichtiger Marktteilnehmer wie der Russen
versichert, in ein bis zwei Jahren die Kontrolle über den Ölmarkt
zurückgewonnen haben.
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