21.05.2015 21:26:39

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Börsen-Zeitung: Ein Zerwürfnis, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd

Wittkowski

Frankfurt (ots) - Fangen wir mit einem Detail an, das aber hohen

Symbolwert hat und viel über den Respekt gegenüber den Aktionären

jener Bank aussagt, deren Name sie mit einer Nationalität, einer

Heimat und einer Sprache verbindet - mögen auch 43% des Grundkapitals

im Ausland liegen und mehr als die Hälfte der Mitarbeiter jenseits

der Grenze eingesetzt sein. Co-Chef Anshu Jain sprach auf der

Hauptversammlung der Deutschen Bank über die Einlösung von

Versprechen. Beim Aktionärstreffen 2013 hatte er in Aussicht

gestellt, im Jahr darauf etwas besser Deutsch zu sprechen (wobei die

ersten Versuche durchaus respektabel ausgefallen waren). 2014 bat er

"erneut um Geduld mit meinem Deutsch". Am Donnerstag entschied sich

Jain ("An diesem Tag ist jedes Wort wichtig") für seine Muttersprache

Englisch, das Publikum in der Frankfurter Festhalle hörte die

Simultanübersetzung.

Die Verständigungsprobleme zwischen Jain und einzelnen anderen

Vorstandsmitgliedern, aber auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden Paul

Achleitner auf der einen und den Aktionären der Bank auf der anderen

Seite sowie Schwierigkeiten beim Einlösen von Versprechen beschränken

sich indes nicht auf die Sprache. Was hier offenbar wird, ist

vielmehr mindestens ein gestörtes Verhältnis, eher wohl sogar ein

Zerwürfnis. Wer in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig die

Hauptversammlungen deutscher Großbanken besucht hat, muss

feststellen, dass die Deutsche Bank anno 2015 das Niveau der

Commerzbank erreicht hat, was den Enttäuschungs- und Empörungspegel

der versammelten Anteilseigner wegen des höchst unbefriedigenden

Zustands und des beklagenswerten Erscheinungsbildes ihrer Bank

angeht. Nur waren es bei den Gelben in der Vergangenheit regelmäßig

vor allem persönlich betroffene Wutaktionäre, die mit ihrer

kolossalen Kritik tosenden Beifall der Hauptversammlung ernteten.

Vertrauen entzogen

Bei den Blauen hingegen probten jetzt vornehmlich Institutionelle,

die jeder für sich zig Milliarden Euro an Kapital repräsentieren, den

Aufstand. Ihre brutalstmögliche Abrechnung war nicht annähernd so

emotional, wie man es von der Commerzbank kennt, dafür aber

seziermesserscharf analytisch. Dies und die Tatsache, dass die

professionellen Redner reihenweise der Führung der Bank das Vertrauen

entzogen und insbesondere Jain als früheren Leiter des Investment

Banking für das von ihnen konstatierte Scheitern der "Strategie

2015+", für unzählige Rechtsstreitigkeiten, Skandale aller Art,

Strafzahlungen in Multimilliardenhöhe, einen Alptraum für die

Aktionäre oder schlicht "den Niedergang dieses Hauses" verantwortlich

machten, wiegt ungleich schwerer als Affekte oder Polemik.

Dabei waren die Sympathien der in Frankfurts "Gudd Stubb"

anwesenden rund 5000 Aktionäre durchaus aufschlussreich verteilt.

Co-Chef Jürgen Fitschen konnte zum Beispiel spontanen unterstützenden

Beifall einheimsen, als er mit Blick auf den laufenden Münchener

Strafprozess auch bei dieser Gelegenheit noch einmal versicherte, in

der Causa Kirch weder gelogen noch betrogen zu haben, und um Geduld

bat, bis die Vorwürfe vor Gericht ausgeräumt seien.

Applaus für Neske

Den deutlich stärksten Applaus - neben ein paar warmen Worten

Achleitners und des Führungsduos - aber bekam bezeichnenderweise

ausgerechnet jenes Vorstandsmitglied, das die Bank verlässt: Privat-

und Geschäftskundenchef Rainer Neske. Ein weiterer Bankier, kein

Banker, gehe da von Bord, tat Aktionärsschützer Klaus Nieding

vielsagend kund. Neske will und kann die Dezimierung seines Bereichs

- unter anderem durch die beschlossene Abtrennung der Postbank -

nicht mittragen. Und er vermag seinen Leuten nicht zu erklären, dass

im Ergebnis sie mit Einsparungen die Zeche für teure Vergleiche oder

Bußen zahlen sollen, die auf das Konto der Investmentbanker gehen. So

interpretiert man es in der Bank. Ob Neske noch mal gebraucht wird?

"Gehen Sie nicht zu weit weg", riet ihm ein Aktionär. Dafür geht

Christian Ricken, de facto Neskes Vize, der von manchen eben noch als

Nachfolger gehandelt wurde, gleich mit - jedenfalls verlässt er das

Group Executive Committee.

Sollte der vom früheren Investmentbanker Achleitner gelenkte

Aufsichtsrat geglaubt haben, mit dem am späten Vorabend der

Hauptversammlung verkündeten neuerlichen Vorstandsumbau - dem zweiten

binnen sieben Monaten - einen Befreiungsschlag landen zu können, so

dürfte ihn der Verlauf des Aktionärstreffens eines Besseren belehrt

haben. Wobei die eigentliche Überraschung in puncto Reorganisation

aus Sicht des Publikums übrigens nicht darin besteht, dass Jain nun

im Vorstand die Verantwortung für Strategie und

Organisationsentwicklung übernimmt - sondern darin, dass er sie noch

nicht hatte (zuständig war zuletzt der bisherige Finanzchef Stefan

Krause). Diese Aufgabe hätte doch schon bisher Chefsache sein müssen,

gab auch Ingo Speich, Senior Portfoliomanager von Union Investment,

mit gewisser Verwunderung zu Protokoll.

Manche mögen Jain durch die Neuverteilung der Zuständigkeiten

gestärkt sehen. Doch der Vorstand genießt "in seiner gegenwärtigen

Zusammensetzung", so Hans-Christoph Hirt vom Aktionärsberater und

Fondsmanager Hermes EOS und andere, nicht mehr das Vertrauen der

Eigentümer. Das wurde in der Hauptversammlung überdeutlich. Als

feinfühliger Zeitgenosse sollte man angesichts der zwar sachlichen,

aber im Ergebnis niederschmetternden Kritik und des offenbar

irreparabel zerstörten Vertrauens darüber nachdenken, ob man nicht

vor Scham im Boden versinken und zurücktreten muss - ganz unabhängig

von desolaten Abstimmungsergebnissen.

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