12.09.2016 20:32:39
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Börsen-Zeitung: Der Rückzieher, Kommentar zu Linde von Stefan Kroneck
Frankfurt (ots) - Dass Fusionsverhandlungen von Großunternehmen an
der hochkomplexen Governance scheitern können, ist eher die Regel als
die Ausnahme. Insofern sind die von der Linde-Führung abgeblasenen
Gespräche mit Praxair nichts Ungewöhnliches, waren doch die
Aussichten, dass dieser Zusammenschluss tatsächlich in die Praxis
umgesetzt wird, von Anfang an sehr vage.
Aufhorchen lässt, dass die Vertreter der Kapitalseite im
Aufsichtsrat wohl die Reißleine zogen, wie aus der Ad-hoc-Meldung des
Münchener Industriegasekonzerns hervorgeht. Musste etwa das Gremium
auf diese Weise eingreifen, um zu verhindern, dass das Unternehmen
durch Intrigen und Machtkämpfe im Management bei einer Fusion mit
ungewissem Ausgang einen größeren Schaden nimmt? Als offiziellen
Grund für die abgebrochenen Verhandlungen mit dem amerikanischen
Wettbewerber gibt Linde an, dass die eigene Kernstruktur bei einem
Zusammenschluss mit den Amerikanern zur Disposition gestanden hätte.
Die deutsche Seite war nicht bereit, ihre zentralen Funktionen in das
Headquarter von Praxair im US-Bundesstaat Connecticut verlegen zu
lassen. Linde mit ihrer Matrixorganisation wäre wohl eine
zentralistischer orientierte Führungskultur des US-Wettbewerbers
übergestülpt worden - so jedenfalls heißt es in der Münchner
Konzernzentrale.
Dieser Hinweis überzeugt nicht ganz, ist doch Linde deutlich
größer als die profitablere Praxair-Gruppe. Fakt ist aber auch, dass
Vorstandschef Wolfgang Büchele und Chefaufseher Wolfgang Reitzle ein
solches fragwürdiges Verhandlungsergebnis vor den über 64.000
Konzernmitarbeitern nicht hätten überzeugend vertreten können.
Vor diesem Hintergrund könnte der Rückzieher dazu beitragen, Ruhe
in das Unternehmen zu bringen - vorerst. Reitzle wird nun nicht
Chairman eines neuen Gebildes von Linde und Praxair. Im Gegenzug
bleibt Büchele, dessen Arbeitsverhältnis mit Finanzvorstand Georg
Denoke als angespannt gilt, bis auf Weiteres Linde-CEO. Bei einer
Fusion hätte er das Unternehmen verlassen müssen. Auf längere Sicht
können in dieser Gemengelage aber die Spannungen erneut auftreten,
hat sich doch an den Machtverhältnissen nichts wesentlich geändert.
Insofern wird die Linde-Gruppe weiterhin mit sich selbst
beschäftigt sein. Die Münchner verpassten aus Sicht mancher die
Chance eines großen strategischen Sprungs im Industriegasemarkt. Dies
dürfe den Druck erhöhen, die eigenen Kostenstrukturen abzuarbeiten.
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