05.07.2019 18:15:41

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Börsen-Zeitung: Deckel auf dem Ölpreis / Kommentar zum Ölmarkt von

Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Die jüngste Entscheidung der Organisation Erdöl

exportierender Länder (Opec) und befreundeter Staaten unter Führung

Russlands, die seit Anfang diesen Jahres gültigen

Produktionskürzungen für weitere neun Monate beizubehalten, hat am

Ölmarkt eine wohl nicht erwartete Reaktion ausgelöst: Der Preis der

weltweit wichtigsten Sorte Brent Crude gab einen Tag nach dem

Beschluss um 4% nach. Erholt hat sich der Ölpreis seither kaum.

Die Marktreaktion überrascht eigentlich, wenn man bedenkt, dass

die Beschlüsse ausreichen sollten, um ein Überangebot an dem

Energieträger in der zweiten Jahreshälfte zu verhindern. Einen Grund

für den genannten Preisrutsch auszumachen, falle schwer, betont

Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Die

Nachrichtenlage spreche eher für steigende Notierungen am Ölmarkt.

Diese Betrachtungsweise ist sicherlich richtig und angemessen,

wenn man sich die fundamentalen Marktgegebenheiten ansieht, auf denen

die Preisentwicklung letztlich beruht, und wenn man andere Aspekte

wie die politischen Einflussfaktoren ausklammert, die auf den Ölpreis

drücken.

So ist eine Verhinderung von Überproduktion tatsächlich weniger

die Folge der offiziellen Opec-Beschlüsse. Diese besagen, dass die

Opec und ihre Verbündeten unter Führung Russlands ("Opec plus")

nach wie vor 1,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) weniger produzieren als

in der Referenzperiode vom Oktober 2018. Von Januar bis Mai dieses

Jahres hat die tatsächliche Fördermenge aber um 1,33 Mill. bpd unter

dem Referenzwert gelegen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen,

dass Saudi-Arabien sein Kürzungsversprechen deutlich übererfüllt: Das

Opec-Schwergewicht kommt auf einen Prozentsatz der Einhaltung der

Quoten von 216%. Demgegenüber erfüllt das andere Schwergewicht

innerhalb der erweiterten "Opec plus", nämlich Russland, sein

Versprechen nur zu 64%. Andere Mitglieder der Staatengruppe hatten

von vornherein nur deutlich geringere Kürzungen zugesagt.

Neben dem Einsatz Saudi-Arabiens ist die Vermeidung einer

Überversorgung vor allem den harten US-Sanktionen gegen Venezuela und

den Iran sowie dem Bürgerkrieg in Libyen geschuldet, die zu

erheblichen, aber unfreiwilligen Einbrüchen der Ölproduktion dieser

Länder geführt haben.

Insofern kann man nicht gerade von einer starken und einigen Opec

sprechen, die den Ölmarkt kontrolliert. Im Gegenteil: In der Opec

herrscht alles andere als Einigkeit. Hinter den Kulissen brechen

derzeit diverse Konflikte auf. So beschuldigen beispielsweise der

Iran und Venezuela Saudi-Arabien, der große Nutznießer der

US-Sanktionen zu sein. Und letztlich haben auch Russland und

Saudi-Arabien keine deckungsgleichen Interessen. Die Abhängigkeit

des russischen Staatshaushalts von den Ölexporten hat sich inzwischen

deutlich reduziert. Die russische Regierung ist sich bewusst, dass

ein zu hoher Ölpreis die weitere Diversifizierung der heimischen

Wirtschaft behindert. Auf der anderen Seite ist Saudi-Arabien

dringend auf einen möglichst hohen Ölpreis angewiesen, um das Defizit

im Staatshaushalt abzubauen und den Aufbau eines von Öl unabhängigen

Wirtschaftssektors zu finanzieren.

Die Macht der Opec wird auch dadurch eng begrenzt, dass es auch

noch die USA als den dritten großen Ölproduzenten gibt, der seine

Ölproduktion kontinuierlich ausbaut und im April dieses Jahres mit

12,2 Mill. bpd auf eine Rekordförderung kam. Zwar hat der

Ölpreisverfall im vierten Quartal 2018 auch zu einer deutlichen

Abschwächung des Wachstums der amerikanischen Schieferölindustrie

geführt. Dennoch geht die Expansion weiter, bei einem deutlichen

Anstieg des Ölpreises würde sie sich auch wieder stark beschleunigen.

Insofern deckelt nach wie vor der amerikanische Schieferölsektor den

Ölpreis.

Ferner sollte nicht übersehen werden, dass mit Blick auf die

aktuelle Entwicklung der Weltkonjunktur eher die Gefahr einer noch

stärker als erwartet ausfallenden Abschwächung besteht als die Chance

auf eine spürbare Erholung. Dies gilt umso mehr, als davon

ausgegangen werden muss, dass der Waffenstillstand im

amerikanisch-chinesischen Handelskrieg nur eine begrenzte Zeit halten

kann. China ist dabei, die USA als führende Weltmacht abzulösen, was

diese mit Mitteln der ökonomischen Kriegsführung zu verhindern sucht.

Insofern gibt es viele Gründe, die gegen einen deutlichen Anstieg des

Ölpreises sprechen.

(Börsen-Zeitung, 06.07.2019)

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