17.11.2015 20:56:39

OTS: Börsen-Zeitung / Börsen-Zeitung: Außergewöhnliche Umstände, Kommentar ...

Börsen-Zeitung: Außergewöhnliche Umstände, Kommentar zum

Stabilitätspakt von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots) - Eigentlich ist ja das Konzept des Stabilitäts-

und Wachstumspakts, dafür zu sorgen, dass Europas nationale

Regierungen in gewöhnlichen Zeiten sparsam genug wirtschaften, um für

außergewöhnliche Umstände gewappnet zu sein. Eigentlich. Es ist kein

Geheimnis und es ist keine Neuigkeit, dass das nie geklappt hat.

Viele Dutzende Male haben Mitgliedsländer die berüchtigten

Schwellenwerte überschritten. Frankreich zum Beispiel hat das

3-%-Defizitkriterium zuletzt 2007 (!) eingehalten - und wird es noch

eine ganze Zeit lang verfehlen. Viel ist versucht worden, um den Pakt

wirkungsvoller zu machen. Two-Pack und Six-Pack und Fiskalpakt und

"Europäisches Semester" wurden erfunden, um bei der Koordinierung und

Überwachung der Haushaltspolitik nachzubessern. Gebracht hat das aber

wenig - zumal die EU-Kommission nach wie vor recht milde mit den

Regierungen umgeht.

So ist sie erstens bereit, wieder die nominale Neuverschuldung in

den Mittelpunkt zu rücken und dafür der Entwicklung des strukturellen

Defizits weniger Bedeutung beizumessen - obwohl die EU-Behörde

jahrelang gepredigt hat, dass es eigentlich auf das strukturelle

Defizit ankomme. Von diesem methodischen Schwenk profitiert vor allem

Frankreich, dessen Haushaltsentwurf nur deshalb als "weitgehend im

Einklang" mit dem Pakt beurteilt wird.

Die EU-Kommission konzentriert den Blick zudem wieder stärker auf

das Defizit - und schenkt dem Abbau der Gesamtverschuldung weniger

Beachtung. Das wiederum nutzt insbesondere Italien, dessen riesiger

Schuldenberg allen Ankündigungen zum Trotz nicht schrumpft. Und

schließlich akzeptiert die EU-Behörde immer neue "außergewöhnliche"

Umstände. Italien beispielsweise beantragt, dass das Land wegen des

Sonderaufwands von Strukturreformen (0,5%), außerordentlichen Kosten

von Investitionen (0,3%) und den Belastungen durch die

Flüchtlingskrise (0,2%) letztlich 1 Prozentpunkt mehr neue Schulden

machen darf als eigentlich vorgegeben. Man muss kein Spötter sein, um

zu sagen, dass der Abzug außergewöhnlicher Aufwendungen zur lieben

Gewohnheit zu werden droht.

Ist der Pakt überhaupt noch zu etwas nütze? Ja, weil er zur

Transparenz nationaler Haushaltspolitik beiträgt und gewiss einen

Anteil daran hat, dass die Defizite in der EU - im Schnitt - zuletzt

spürbar gesunken sind. Aber eine Gewähr dafür, dass es Europas

Regierungen ernst meinen mit disziplinierter Finanzpolitik, hat er

noch nie geboten - und bietet er auch heute nicht.

OTS: Börsen-Zeitung

newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377

newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!